Film:
Booksmart

Film-Kritik von Yannic Niehr / Titelmotiv: © ANNAPURNA PICTURES, LLC.

"Booksmart"… so kann man Amy Antsler (Kaitlyn Dever) und vor allem Molly Davidson (Beanie Feldstein) durchaus bezeichnen. An „Street Cred“ mangelt es ihnen dafür gewaltig ...

Was machst du, wenn das Fundament, auf das du dein bisheriges Standing gebaut hast, plötzlich zu zerbröckeln droht? So geht es Molly, die sich ihre ganze Schulzeit hindurch abgerackert hat, um sich ihren Traum vom Elite-College zu erfüllen – nur um ausgerechnet am letzten Schultag vor der Abschlussfeier zu erfahren, dass die ganzen Sportskanonen, Pausenclowns und Partylöwen um sie herum genau dasselbe erreichen werden! Anstatt also für ein hehres Ziel zu arbeiten UND dabei die High-School-Zeit voll auszukosten, haben Molly und Amy sich für nur eines davon entschieden, da sie es von vorneherein kategorisch ausgeschlossen haben, dass beides gleichzeitig überhaupt geht. Was jetzt? An einem Tag kann man nicht den ganzen Spaß nachholen, den man über Jahre hinweg verpasst hat, oder? Man sollte es zumindest versuchen, findet Molly. Also beschließen die beiden (oder vielmehr Molly, die es wie immer schafft, die etwas zaghaftere Amy mitzuziehen), sich die After-Prom-Party des beliebten Vizeschülersprechers Nick nicht entgehen zu lassen und so richtig auf die Kacke zu hauen. Doch wie das Leben so spielt: erstens kommt es anders…

Good Girls go to Heaven, Bad Girls go everywhere

Fast nimmt sich „Booksmart“ wie das weibliche Pendant zur Seth Rogen-Produktion „Good Boys“ aus, der ebenfalls dieses Jahr anlief: Beide sind Coming-of-Age-Komödien mit jugendlichen Protagonisten, beide legen es darauf an, möglichst derbe zu sein, und beide haben trotzdem (oder gerade deshalb) überraschend viel Herz. Das ist vor allem dem talentierten Ensemble zu verdanken, in welchem sich vielversprechende Jungschauspieler mit gestandenen Komikern die Klinke in die Hand geben:

Molly ist so streberhaft bossy, dass sie leicht zur Unsympathin hätte verkommen können, doch arbeitet Feldstein die der Figur innewohnende Tragik und ihr inneres Wachstum auf eine gelungene Art und Weise heraus; Kaitlyn Devers Amy bildet den eher introvertierten und geerdeten Gegenpol zu Feldsteins Überdrehtheit, und ihre Figur ist die authentische Seele des Films: obwohl bereits seit zwei Jahren geoutet, hat sie bislang noch nicht mal ein anderes Mädchen küssen können. Selbstverständlich hoffen die beiden Mädels, auf der Party auch Defizite in Sachen Romance aufarbeiten zu können - und die für einen Film dieser Art typischen Herzschmerz-Verwicklungen inklusive hochdramatischer Missverständnisse bleiben nicht aus. Ohne zu viel vorweg zu nehmen, muss man dem Film aber zugutehalten, wie unaufgeregt und direkt die Storyline um Amys Versuche, ihre Unschuld zu verlieren, präsentiert werden. Das geht vor allem im Bereich Komödie auch heute noch um einiges zotiger – dementsprechend bietet „Booksmart“ hier eine willkommene Alternative.

Abgerundet werden Feldstein und Dever vom stimmigen Rest des Casts: Billie Lourd als abgespacte Gigi erntet wohl die meisten Lacher - während Amy und Molly von Party zu Party geraten, bevor sie endlich die finden, auf die sie tatsächlich wollen, lässt der Film Lourds Figur immer wieder plötzlich auftauchen und Unvorhersehbares tun (einer von mehreren gelungenen Running Gags). Jason Sudeikis als Rektor, der sich als Taxifahrer etwas dazuverdient, sowie Jessica Williams als die mit Abstand coolste Lehrerin der Welt haben beide ihre Momente. Sehr schön geraten sind auch die Gastauftritte von Will Forte und „Friends“-Urgestein Lisa Kudrow als Amys Eltern, die mit ihren etwas unbeholfenen, aber wohlmeinenden Versuchen, hinter ihrer Tochter zu stehen, die Baby Boomer-Generation vertreten dürfen, welche den krassen Kontrast bildet zu Amys und Mollys leicht naivem, aber selbstverständlich-selbstbewussten Postfeminismus. Skyler Gisondo (bekannt u.a. aus der Netflix-Serie „Santa Clarita Diet“) leiht mit seinem leicht dümmlichen Grinsen dem vermeintlichen Poser Jared, der später ungeahnte Tiefen zeigen darf, eine Menge seines natürlichen Charmes.

Too Cool for School

Überhaupt ist der Film sehr darum bemüht, Menschen auszuloten und zu zeigen, dass sie einen immer wieder überraschen können. Molly ist im Cliquendenken und in den gängigen Klischees verhaftet, die für viele Teenieklamotten dieser Art eigentlich typisch wären. Mit denen wird in „Booksmart“ aber erfreulicherweise konsequent gebrochen. Auch wenn dabei gelegentlich bloß ein Klischee durch ein anderes ersetzt wird, sind die Charaktere nie herablassend oder bevormundend gezeichnet. So bietet der Film schon in seiner Prämisse einen frischen, originellen Ansatz (u.a. den mehrfachen Überarbeitungen des bereits seit 2009 kursierenden Drehbuchs geschuldet). Darüber hinaus hat er den ein oder anderen witzigen Kniff zu bieten: wenn sich Molly und Amy z.B. im Zuge eines Drogentrips in Barbiepuppen verwandelt glauben (ein wenig zu viel des Guten, aber lustig anzusehen und unerwartet), oder wenn bei einem Streitgespräch zwischen den beiden auf dem Höhepunkt der Handlung langsam der Ton ausgeblendet wird, sodass man die Eskalation nur noch visuell verfolgen kann. Durch die musikalische Untermalung und die gefühlvolle Darbietung von Dever und Feldstein kommt trotzdem genau an, was zwischen den ungleichen Freundinnen da gerade passiert.

Leider verliert sich der Film immer wieder in Belanglosigkeiten, sodass das Tempo ins Stocken kommt und nicht jede Pointe sitzt. Die Lovestory gegen Ende wirkt ein wenig bemüht und eher so, als würde man diesen Punkt auf einer Checkliste abhaken, weil man ihn in einem solchen Film eben bringen muss. Auch fehlt ein starker, befriedigender Schluss. Das ist aber insofern verständlich, als dass die Geschichte der Entwicklung dieser Figuren ja noch nicht zu Ende ist – sie fängt gerade erst an.

Fazit:

„Booksmart“ erfindet das Rad nicht neu, bietet allerdings derben Spaß mit Herz und Hirn zum Schmunzeln für Zwischendurch und punktet vor allem im Bereich der Darsteller. Jugendliche werden mit Lebensentwürfen und Identitätskonzepten geradezu überrollt, was viel Druck machen und überfordernd wirken kann. Vor diesem Hintergrund ist der thematische rote Faden sehr ansprechend und zeitgemäß. Trotz seiner Mankos sollte man „Booksmart“ daher auf jeden Fall eine Chance geben!

Bilder & Cover: © ANNAPURNA PICTURES, LLC.

Booksmart

  • USA / United Artists
  • dt. Kinostart: 14.11.19
  • Regie: Olivia Wilde
  • Drehbuch: Emily Halpern, Sarah Haskins, Susanna Fogel, Katie Silberman
  • Musik: Dan the Automator
  • Länge: ca. 105 Minuten

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