Film:
Drei Schritte zu dir
Film-Kritik von Stefanie Eckmann-Schmechta / Titelmotiv: © Universal Pictures International
Die wohl einzige Romanze, bei der man denkt: Nein, küsst Euch bitte nicht!
Wen der Film „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ berührt und mit seiner, trotz ernsthafter Thematik, charmanten um humorvollen Art mitgerissen hat, der wird bei dem gerade in den deutschen Kinos angelaufenen Film „Drei Schritte zu Dir“ möglicherweise aufgemerkt haben. Wie in der Romanadaption von John Green sind auch hier ein Junge und ein Mädchen von einer lebensbedrohlichen Krankheit betroffen, auch sie sind ineinander verliebt, aber auch sie können nicht zusammen sein…
Dieses Mal jedoch bedeutet bereits die körperliche Annäherung ein immenses Gesundheitsrisiko. Vier Schritte Abstand müssen Will (gespielt von Cole Sprouse, bekannt aus Riverdale) und Stella (gespielt von der hierzulande noch eher unbekannten Haley Lu Richardson) voneinander halten, um sicher zu gehen, dass das gefährliche Bakterium, das Wills Krankheit mit jedem Tag verschlimmert, nicht auf Stella übergehen kann. Denn würde das geschehen, wären Stellas Überlebenschancen zunichte gemacht und ihr Schicksal – das auch in diesem Fall ein mieser Verräter ist – endgültig besiegelt.
Als Stella beschließt, diese Sicherheitsdistanz auf drei Schritte zu verkürzen, um wieder ein Stück Selbstbestimmung in ihrem Leben zurückzuerobern, ändert sich der gemeinsame Krankenhausalltag von ihr und Will. Und natürlich wird am Ende alles noch viel schlimmer, als befürchtet…
Ein Billard-Queue als emotionales Verbindungselement
Die Krankheit, die beide Hauptfiguren verbindet, ist Mukoviszidose – eine meist tödlich verlaufende Lungenkrankheit. Stella und Will begegnen sich zum ersten Mal im Krankenhaus. Während Stella auf eine Spenderlunge wartet, nimmt Will an einer Studie teil, in der Hoffnung, das aggressive Bakterium in seinem Körper zu besiegen. Doch während Will seine Therapie eher halbherzig angeht und das Ende des Lebens hinzunehmen scheint, ist Stella das genaue Gegenteil. Sie hat einen Kontrollzwang entwickelt, der sogar dazu geführt hat, dass sie eine App programmiert hat, um ihre Medikamenteneinnahme und Therapietermine zu organisieren.
Wie in vielen vergleichbaren Figurenkonstellationen gestaltet sich die Annäherung zunächst noch etwas sperrig und die gegenseitigen Sympathien wollen erst einmal gewonnen werden. Doch es ist wirklich berührend, wie Will versucht, Stellas Herz zu erobern, obwohl diese noch nicht bereit ist, sich zu öffnen. Immer natürlich mit dem vorgeschriebenen Abstand.
Und es ist genau dieser Abstand, der im Verlauf der Geschichte immer mehr zu Tränen rührt – die Unerträglichkeit dieses Umstands wird uns etwa vor Augen geführt, wenn Will Stella in den Arm nehmen möchte, um sie zu trösten oder ihr Halt zu geben; wenn Will Stella sagt, wie wunderschön er sie findet, sie aber nicht berühren darf; wenn sie sich ihre Liebe gestehen und diese nicht mit diesem berühmten ersten Kuss besiegeln dürfen. Und so wird ein Billard-Queue sichtbar verbindendes Element und Sicherheitsabstand zugleich.
An das Krankenhaus gefesselt
Während „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ überwiegend außerhalb des Krankenhauses spielt, findet hier das Setting fast ausschließlich dort statt, was die Möglichkeiten, für Abwechslung in der Dramaturgie zu sorgen, natürlich einschränkt. So braucht „Drei Schritte zu Dir“ in der Anfangsphase auch zunächst etwas, bis man warm wird mit den Charakteren und man sich in das Setting eingefunden hat.
Doch das Zusammenspiel von Will und Stella wird dichter und einnehmender. Es gibt viele sehr emotionale Momente und beinahe sind wir für jeden Moment dankbar, den Will mit seinem Humor und seiner Spontaneität durchbricht. Spätestens aber, wenn sich beide im Schwimmbad aus der Distanz ihre vernarbten Körper betrachten, und in ihren Blicken Liebe, Sehnsucht und Verzweiflung auch den Zuschauer in ein Wechselbad der Gefühle schicken, dann spielt das Drehbuch seine Stärken aus und das Casting erweist sich als perfekt.
Besonders das Schauspiel von Cole Sprouse hat mich berührt. Er hat etwas Rebellisches und zugleich Zerbrechliches. Er spielt glaubwürdig, ruhig und ohne jede Übertreibung. Haley Lu Richardson überzeugt mit ihrer natürlichen Art und entwickelt Stella zu einer emotional aufgeladenen Figur, die ihre Gefühle mit ihrer Ordnung und ihrer Kontrolle zunächst zugeschüttet hat. In den weiteren Nebenrollen gefallen vor allem die resolute Krankenschwester Barb (gespielt von Kimberly Herbert Gregory) und der homosexuelle Poe (Moises Arias) – engster Freund von Stella und ebenfalls Patient im Krankenhaus.
Fazit:
Den Vergleich mit „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ muss sich „Drei Schritte zu Dir“ gefallen lassen, denn zu ähnlich sind Thematik, Zielgruppe und sogar der Soundtrack. Anders als bei „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ liegt „Drei Schritte zu Dir“ kein Roman zugrunde. Dieser folgte erst auf Basis des Drehbuches (zur Buch-Rezension).
Auch wenn „Drei Schritte zu Dir“ zu Beginn noch etwas bemüht wirkt, ist die Inszenierung von Regisseur Justin Baldoni im weiteren Verlauf an Dramatik und Gefühl kaum zu überbieten und eine klare Empfehlung für alle, die keine Angst vor großen Gefühlen haben! Natürlich kommt man nicht aus dem Kino, ohne wenigstens ein Taschentuch verbraucht zu haben. Und es ist wohl die einzige Romanze, bei der man denkt: Nein, küsst Euch bitte nicht!
So transportiert der Film eine ebenso einfache, wie bedeutsame Botschaft. Wir alle brauchen Berührungen, Berührungen von Menschen, die uns viel bedeuteten. „Drei Schritte zu Dir“ zeigt uns, was es heißt, sich nahe zu sein und sich doch nie mit allen Sinnen zu erfahren zu dürfen. Wir vergessen leicht, welches Glück es ist, einen Menschen, den wir lieben, einfach mal in den Arm zu nehmen zu können, ihm zärtlich über das Gesicht zu streicheln, ihn zu küssen. Also los, was hält uns davon ab?
Bilder & Cover: © 2019 Universal Pictures International
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