Auf der Suche nach sich selbst
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Auf der Suche nach sich selbst"
Probleme damit, dass sie adoptiert wurde? Nö! Für Lena ist die Welt in Ordnung. Bis zu ihrem 16. Geburtstag. Denn plötzlich sieht alles ganz anders aus. Zum einen lernt Lena ihre leibliche Mutter kennen – die irgendwie ganz anders ist, als sie sich das vorgestellt hat. Und mit ihrer kleinen Adoptivfamilie steht es nicht gerade zum Besten: Papa hat sich eine junge Geliebte angelacht und Mama versucht so zu tun, als würde es ihr nichts ausmachen. Am liebsten würde Lena das alles mit ihrer besten Freundin Sophia besprechen. Doch das geht nicht. Denn Sophia ist nun mit Felix zusammen. Mit dem Felix, der bis vor ein paar Tagen noch der Freund von Lena gewesen ist. Und so wird alles ein wenig kompliziert.
Mit viel Schmiss versetzt sich Autor Peter Strotmann in die Haut von Lena, deren Welt sich gerade rasend schnell um die eigene Achse dreht. Er stellt dem Mädchen eine große Portion Humor und Pragmatismus zur Verfügung, so dass sie die Ereignisse nicht nur aus einer gewissen Distanz betrachten kann, sondern sich von der Entwicklung auch nicht niederschmettern lässt. Hier zeigt sich allerdings auch eine leichte Schwäche. Denn nahezu alles, was geschieht, löst bei Lena höchstens ein Gefühl von lustloser Genervtheit aus – sie wirkt in zahlreichen Situationen etwas gar abgebrüht und unberührt. Dies ausgerechnet in einem Alter, in dem Emotionen normalerweise Achterbahn fahren. So werden sich die Leser also mit der Zeit die Frage stellen, ob hier tatsächlich die Sicht einer 16-Jährigen wiedergegeben ist oder die wesentlich erwachsenere Sicht eines Autors, der die 50 schon hinter sich gelassen hat.
Lenas Welt gerät also aus den Fugen, wobei der Umstand, dass sie adoptiert worden ist, eine nicht ganz unerhebliche Rolle spielt. Zwar ist der Roman ein klares Plädoyer dafür, gegenüber einem adoptierten Kind mit offenen Karten zu spielen und ihm so die Möglichkeit zu geben, ein gesundes Selbstbewusstsein zu entwickeln, doch zeigt Strotmann gleichzeitig die Tücken der Situation auf. Nicht erst durch die Trennung der Adoptiveltern stellt sich Lena plötzlich Fragen zu ihrer Herkunft. In diesem Roman werden diese Fragen durch einen Brief ausgelöst, den das Mädchen zu seinem 16. Geburtstag erhält und der ein paar wenige Zeilen ihrer leiblichen Mutter enthält. Lena macht sich auf die Suche nach ihrer Mutter und stößt dabei zumindest auf das Verständnis ihrer Großmutter – den in ihrer eigenen Geschichte verstrickten Adoptiveltern verschweigt Lena ihre Unternehmungen. Erst als sie mit ihrer Mutter Kontakt aufgenommen hat, klärt sie ihre Adoptiveltern auf. Diese fallen aus allen Wolken und entwickeln jene Ängste, die wohl viele in ihrer Situation hätten: Die Angst, das über viele Jahre betreute Kind an die leibliche Mutter zu verlieren – wenn auch nur auf emotionaler Ebene. Mit dieser Thematik geht Strotmann überzeugend um.
Witzig umgesetzt sind auch die Ereignisse in der Schule – insbesondere die Theaterproben, die nicht nur die zuständige Lehrerin verzweifeln lassen. Dieser Part stellt eine Art Atempause beim Lesen dar und präsentiert den Lesern ein Stück "Normalität". Es ist – trotz der schwierigen Situation mit Sophia und Felix – ein Fixpunkt in Lenas Leben, der ihr das Gefühl gibt, nicht auf allen Ebenen den Einsturz ihres bisherigen Umfeldes hinnehmen zu müssen. Feinfühlig sind auch die Szenen, in denen Lena ihre Großmutter im Altersheim besucht, wo sie zwar den Verfall der alten Dame mitverfolgen muss, doch bei der Großmutter trotz allem Halt findet.
FAZIT
"Aber sonst geht's mir gut" ist, wie schon der Titel vermuten lässt, witzig und temporeich geschrieben. Das heißt nun aber nicht, dass keine tiefgründigen Probleme angesprochen würden – im Gegenteil. Einzig die allzu laxe Einstellung der Protagonistin will nicht ganz in das ansonsten überzeugende Konzept passen. Auf jeden Fall aber bietet der Roman unterhaltsame Lesestunden auf einem recht hohen Niveau.
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