Der Tischlergeselle und die Schöne aus dem dunklen Wald
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Der Tischlergeselle und die Schöne aus dem dunklen Wald"
Jari hat seine Lehre als Tischlergeselle im väterlichen Betrieb erfolgreich abgeschlossen. Bevor der von seinem Vater so hoch gehaltene "Ernst des Lebens" beginnt, will er, der alten Tradition folgend, einige Zeit umherwandern und Land und Leute kennen lernen. Auf die Begleitung seines besten Freundes Matti muss er dabei verzichten, hat dieser doch gerade eben einmal mehr die Braut fürs Leben gefunden.
In Zittau war Jari das letzte Mal umgestiegen, nun wartet ein einsames Dorf nebst dunklem Wald auf ihn. Im Dorf nimmt ihn ein im Schaufenster einer Galerie ausgestelltes Bild gefangen.
Selten - nein, nie hat er solch eine realistische und atmosphärische Darstellung eines Waldes gesehen! Dass er der Malerin begegnet, ist Zufall – oder nennen wir es lieber Schicksal.
Zunächst begleitet er Jascha nur durch die einsame Klamm in den Wald, dann bleibt er in ihrem abgelegenen Haus inmitten der Bäume hängen.
Gar Merkwürdiges geht hier vor. Ist es nur dem Genuss der giftigen Fliegenpilze zu verdanken, dass er meint, Jascha auf Hirschen reiten und mit Füchsen kuscheln zu sehen? Und wie viele Jaschas gibt es überhaupt? Während die Handlung immer mehr in einen Drogentraum abzugleiten droht, er nicht mehr Wahrheit und Traum auseinanderhalten kann, die Wochen und Monate im Flug vergehen, kommt er einem alten Geheimnis, einem Verbrechen auf die Spur.
Märchen auf Speed – nicht für schwache Nerven
Antonia Michaelis´ Romane sind immer ein Erlebnis. Nichts, was sie bislang veröffentlicht hat, lässt sich einfach in eine Schublade stecken. Oftmals regt sie mit ihren Jugendbüchern auch zur Diskussion an, ob das, was sie beschreibt, für die Leserschicht überhaupt geeignet ist.
Vorliegend berichtet sie uns zwar nicht von Vergewaltigung, doch die unheimliche, dichte Atmosphäre des Buches nimmt den Leser weit mehr gefangen, als gewöhnliche Horror-Bücher der internationalen Bestsellerlisten. Wenn sie uns von ihrem dunklen, finsteren, ja unheimlichen Wald berichtet. Wenn Bären und Wölfe, oder das, was der Erzähler dafür hält, Jagd auf diesen machen. Wenn unheimliche Gesellen ihn warnen und bezaubernde, feenartige Mädchen Jari umgarnen. Dann taucht der Leser nicht nur in eine alte Tragödie ein, sondern wird in ein modernes Märchen hineingezogen, wie es die Gebrüder Grimm sich nicht besser hätten ausdenken können. Das hat das Potenzial, seine Leser zu ängstigen und zu verstören. Das hat aber auch eine erzählerischen Klasse – ja, ich bin geneigt zu sagen Wucht, die seinesgleichen sucht.
FAZIT
Was Cornelia Funke meiner Meinung nach in "Reckless – Steinernes Fleisch" vergebens versucht, ein in sich überzeugendes, modernes Märchen zu kreieren, das ist Antonia Michaelis gelungen. Nichts für Leser mit einem dünnen Nervenkostüm, absolut nichts für Leser, die sich mit hübschen Vampiren ein wenig gruseln wollen, aber für alle, die in eine Märchenwelt voller skurriler Gestalten und phantastischer Rätsel gezogen werden wollen, ein sicherer Griff.
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