Vom Ehrgeiz zerfressen
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Vom Ehrgeiz zerfressen"
Es hätte alles so schön sein können: Natalie Hargrove ist sicher, bei den bevorstehenden Schulwahlen zur Prinzessin gekürt zu werden. An ihrer Seite soll ihr Freund Mike den Thron besteigen. Wer die Wahl gewinnt, hat es geschafft in der Gesellschaft. Doch Mike bekommt Konkurrenz. Und das ausgerechnet von Justin, mit dem Natalie durch eine unschöne Geschichte in der Vergangenheit verfeindet ist. Natalie weiß, dass Mike mit seinen snobistischen Eltern erhebliche Probleme bekommen wird, wenn er die Wahl nicht schafft. Doch Mikes Konkurrent hat die Nase vorne. Als Justin sich bei der Mardi Gras-Party volllaufen lässt, kommen Natalie und Mike auf die Idee, den Jungen in seinem tuntigen Party-Outfit vor der Kirche abzusetzen, wo er wenige Stunden später von Kirchgängern gefunden werden sollte. Denn damit wäre Justins Ruf – und seine Chance auf die Prinzenkrone – ruiniert. Was als fieser Trick gedacht ist, endet tragisch: Am Morgen ist Justin tot. Nicht nur Mike und Natalie wissen, dass sie schuldig sind – Natalie wird erpresst.
Wie weit ist eine junge Frau bereit zu gehen, um in der Gesellschaft anerkannt zu sein? Lauren Kate hat ihren Roman um diese Frage herum gebaut und damit viel mehr in den Thriller gepackt, als es zunächst den Anschein hat. Sie erzählt von der Trailer Park-Vergangenheit Natalies, von einer Mutter, die sich immer wieder gutbetuchte Männer angelt und sich und ihre Tochter auf diese Weise aus dem Sumpf herausgeholt hat. Nun lebt Natalie zwar auf der richtigen Seite des Flusses – auf derjenigen, die den Reichen und Schönen vorbehalten ist – doch muss sie immer fürchten, dass ihre Vergangenheit bekannt wird. Das aber würde unweigerlich einen sozialen Abstieg zur Folge haben. An der Elite-Schule Palmetto-High wäre sie untendurch. Und auch bei Mikes Familie, die ihr ohnehin nicht besonders gewogen scheint.
Mit diesem Hintergrund schafft Lauren Kate ein grundsätzliches Verständnis für die Gedankengänge des Teenagers. Dass Natalie unter Druck steht, entschuldigt zwar ihre Handlung nicht, macht sie aber nachvollziehbar. So wird sich mancher Leser die Frage stellen müssen, ob er nicht selber ähnlich gehandelt hätte. Denn töten wollte Natalie Justin nicht. Trotzdem führt die Autorin die Leser nach und nach an das Bewusstsein heran, wie gedankenlos, ja fahrlässig Natalie gehandelt hatte, als sie Justin an den Baum fesselte und seine Tabletten mitnahm. Und wie skrupellos sie anschließend versucht, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Genau hier liegt die Stärke des Romans: So nachvollziehbar und menschlich Natalies Handlung auch ist – sie ist falsch. Dies zeigt die Autorin sehr subtil aber nachhaltig auf.
Ein durch und durch gelungener Roman also? Immerhin stimmt auch Sprache und geschrieben ist die Geschichte mit Schmiss. Doch für eine Höchstwertung reicht es nicht. Denn dazu gibt es zu viele kleinere Einschränkungen. Es dauert eine ganze Weile, bis der Thriller an Fahrt gewinnt. Über rund die Hälfte plätschert die Geschichte mehr oder weniger vor sich hin, machen kleinere Teenagerkatastrophen und die Unverträglichkeit Natalies mit ihrer momentanen Stiefschwester Doppel D den Hauptteil der Handlung aus. Das wirkt mit der Zeit etwas einschläfernd. Zum anderen ist der Aufstieg der Trailer Park-Familie in die gute Gesellschaft unglaubwürdig. Natalies Mutter wird als Dummchen dargestellt und angelt sich dennoch potente Liebhaber, die bereit sind, ihr ein Leben in Luxus zu ermöglichen. Auch Natalies Vater, der plötzlich wieder auftaucht, gehört einer unteren Schicht an. So mag es nicht überzeugen, dass niemandem auf der Elite-Schule oder im Umfeld der überkritischen Snob-Familie Mikes auffallen soll, dass Natalie nicht aus einer höheren Gesellschaftsschicht stammt.
FAZIT
Der Thriller ist – sobald er mal Fahrt aufgenommen hat – spannend und überzeugend. Allerdings gibt es einige Längen und Unstimmigkeiten, die den Lesespass etwas trüben. Alles in allem geht Autorin Lauren Kate gut mit dem Thema um und vermittelt auch das Gefühl, sehr dicht am Geschehen zu sein. So lohnt es sich trotz allem, diesen Roman zu lesen.
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