Prison Island
- Gerstenberg
- Erschienen: Januar 2012
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Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Der verdunkelte Himmel"
Nach dem Dritten Weltkrieg hat die Triade die Herrschaft übernommen. Ihr unterstehen die Percents, genetisch veränderte Soldaten, die Augen wie Reptilien haben. Die Menschen haben sich entweder den Percents unterworfen und leben mit ihnen in den Städten, oder sie hausen als Rebellen außerhalb der Städte in Verstecken, werden von den Percents gejagt und treiben mit Menschen in den Städten heimlich Handel. Die neunzehnjährige Rebellin Joy gehört zum Clan von Mars. Dessen Sohn Matthial liebt Joy. Als Joy und Amber zum Tauschen in der Stadt sind, geraten sie in einen Hinterhalt, Amber wird von den Percents gefangen genommen. Bei dem späteren Versuch Amber zu befreien, gerät auch Joy in Gefangenschaft. Sie wird dem Varlet Neél zugewiesen, der sie für den anstehenden Initiationsritus, den Chivvy, in dem die neuen Percents mitsamt ihrem Rang bestimmt werden, zur Soldatin ausbilden soll.
Joy erlebt die Percents während ihrer Gefangenschaft anders, als sie ihr bei den Rebellen dargestellt wurden.
Das Jahr 40 nach der Übernahme
"Dark Canopy" erzählt eine Geschichte, die durch oftmals gewalttätige Action und Dialoge vorangebracht wird. Sie spielt vierzig Jahre nach der Übernahme der Macht durch die Triade, einer Organisation, die von den Präsidenten geführt wird und denen die Percents dienen. Die Organisation des Herrschaftssystems bleibt zumindest im ersten Teil der Trilogie unklar, ebenso, wer die Präsidenten sind. Zwar steht einer der Percents vor dem Übergang zum Präsidenten, aber das erklärt nichts. Varlets sind Mutanten, die sich in der zweijährigen Phase vor dem Übertritt in den Kriegerstatus befinden, den sie beim Chivvy vollziehen können. Mädchen sind Allgemeingut, solange kein Percent öffentlich einen Anspruch auf sie erhebt. Es scheint, als würden sich Percents mit Menschenfrauen paaren:
Zitat:
"Ich würde im Optimierungsprogramm landen und dann auf dem Müll, sobald sie feststellten, dass ich zur Fortpflanzung nichts taugte."
Die Haut der Percents reagiert überempfindlich auf UV-Strahlung, weshalb die als Dark Canopy bezeichneten Maschinen entwickelt wurden. Zwei Stunden nach Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang wird der Himmel unter Einsatz von Dark Canopy verdunkelt. Die Energieversorgung erfolgt offenbar durch Gezeitenkraftwerke.
Die Rebellen sind in Clans organisiert. Dem Clan unter Führung von Mars gehören dessen drei Kinder Matthial, Josh und Janett an, weiter Amber, Joy und ihre Schwester Penny. Gelegentlich stoßen neue Menschen hinzu. Mars’ Kinder besitzen eine alte Playstation. Joy trägt einen Parka. Zu den weiteren Relikten aus der Vergangenheit gehören Coca-Cola-Werbung, ausgeschlachtete Autokarosserien, ein Motorrad, Schutzbleche, Malvenaufgüsse.
Der Handlungsort ist irgendwo in Europa. Einmal wird über die Flucht nach Norden, in das frühere Skandinavien gesprochen. Die Namen sind überwiegend englisch.
Die Handlung wird aus zwei Perspektiven erzählt. Joy ist in "ihren" Kapiteln die Ich-Erzählerin. Die Geschehnisse im Clan hingegen werden neutral in der dritten Person erzählt.
Benkau betreibt in ihrer Dystopie keinen Weltenbau. Sie skizziert ihr Zukunftsszenario äußerst knapp und lückenhaft, weshalb manche Konstruktionsmerkmale nur bedingt einsichtig sind. Viel mehr Wert legt sie auf die Handlung und die Hauptfiguren, die erfrischend wenig Stereotypen folgen und im Handlungsverlauf erst richtig Fleisch an die Knochen bekommen. Die für Jugenddystopien übliche Liebesgeschichte wird eher beiläufig und nachvollziehbar entwickelt, ist zwar emotional, aber weitab von Kitsch und Klischee.
"Dark Canopy" ist ein weiterer Eintrag in den langsam unübersichtlich werdenden Markt der Dystopien für Jugendliche. Der US-Markt bestimmt das dystopische Segment, aus deutschen Landen gibt es vergleichsweise wenig zum Thema. Dystopien muten zunehmend wie Klone an. Benkaus Roman hingegen orientiert sich weniger an den handelsüblichen Mustern - eine der Ausnahmen ist Suzanne Collins’ "Die Tribute von Panem" -sondern eher an Filmen wie der "Terminator"-Reihe und der TV-Serie "Falling Skies".
FAZIT
Jennifer Benkaus "Dark Canopy" ist ein spannender Auftakt zu einer Trilogie, in dessen Verlauf man sich mehr Informationen über die Welt der Zukunft wünschen würde.
Auf die Zukunft
Das meint Jugendbuch-Couch.de: "Auf die Zukunft"
Als Kusine Mai auf unbestimmte Zeit zu Besuch kommt, reagiert die fünfzehnjährige Idun wenig erfreut. Mit der älteren Mai will sie eigentlich nichts zu tun haben, weil diese, so Idun, eine Schlampe ist und Sex für sie eine alltägliche Begebenheit ist wie Hallo sagen.
Mai erweist sich als instabil, hat Heulattacken, hasst die Stadt, in die ihre Mutter sie wegen etwas verbannt hat, was sie ihrem Tagebuch zufolge nicht gemacht hat. Zwischendurch denkt sie daran, sich umzubringen, weshalb Idun sie verrückt findet. Mai geht zum Fachgymnasium, besucht allein oder mit Idun Partys, schläft mit einem Jungen, der sie nicht interessiert, lernt Anders kennen, in den sie sich ein wenig verliebt. Idun besucht in diesem Jahr die weiterführende Schule, wird für eine Streberin gehalten und hat an Jungen kein Interesse. Das Leben verändert sich für die beiden Mädchen auf dramatische Weise, als sie die Häftlinge Aleksander und Johan von der Gefängnisinsel im Fjord kennen lernen, die tagsüber in der Fabrik auf dem Festland arbeiten.
Aufgelöste Familien
Die Welt Iduns ist keine Idylle, ihre Eltern sind geschieden oder leben getrennt. Wir erfahren darüber nichts weiter, nur dass Idun ein schwieriges Verhältnis zu ihnen hat und bei ihrer Mutter lebt. Iduns Vater wohnt mit einer jüngeren Frau zusammen, die Iduns großer Bruder Morten abwertend "die Russin" nennt. Ihre Mutter ist seit der Trennung allein und verliebt in Donald Draper, eine Figur aus der Fernsehserie Mad Men. Mai lebt bei ihrer Mutter und deren Partner, bis sie zur Tante abgeschoben wird. Johan hat als Jugendlicher mit 49 Messerstichen in einem Zornesausbruch seinen Vater getötet.
Sex und Liebe
Der Roman gibt Erinnerungen Iduns an ein Jahr zurückliegende Geschehnisse wieder. Ihr Leben scheint ebenso wie das Mais und der beiden Mütter wenig Freuden zu bieten. Sex und das, was sie alle irgendwie als Liebe bezeichnen, ist durch eine Beiläufigkeit und teils auch Beliebigkeit charakterisiert, die vor allem durch den Aspekt der Ablenkung beschrieben ist.
In dieser Gefühlslage entwickeln die beiden Mädchen Vorstellungen von Abenteuer und romantischer Liebe, die in die Katastrophe münden.
Von ähnlicher Beiläufigkeit, ja opportunistisch, ist auch das Verhältnis anderer Figuren zur Sexualität. Ihr Trainer hat Idun einmal sexuell belästigt. Dennoch ist sie bei ihm geblieben und flirtet im Verlauf der Erzählung gar mit ihm, bis er wieder anzüglich wird. Ein Mann, der Mai und Idun als Anhalterinnen mitnimmt, nutzt ebenfalls die Gelegenheit und fordert Mai zum Sex auf. Die Mädchen entgehen durch Mais Geschick einer Vergewaltigung. Idun wundert sich, warum Anders nicht Schluss mit Mai macht, als er davon erfährt, dass sie sich zu Johan hingezogen fühlt. Dabei scheint Idun zu entgehen, dass Anders von Mai bekommt, was er will.
Idun erzählt auf zwei Ebenen. Gedanken und Beschreibungen in der Gegenwart bilden eine Erzählebene, Erinnerungen Iduns an das Vorjahr eine andere. Über den Ausgang der Geschichte schreibt Idun bereits auf der ersten Seite.
Eine mit Problemen behaftete Liebe, die sich nicht erfüllen kann oder darf, ist der Ausgangspunkt für den Liebestod, die romantische Vorstellung, die Idun auf Mai und Johan überträgt, deren Tod – Unfall oder Suizid - keinesfalls geklärt ist. Kvalvaag benutzt diese ästhetische Vorstellung, um auf äußere und innere Konflikte hinzuweisen, die das Denken Iduns (und Mais) bestimmen. Der Tod hat etwas von Erlösung an sich in einer Welt, in der man, um gesund zu bleiben, zwischendurch immer mal wieder sterben will. Dies wird in einem recht frühen Gespräch zwischen Idun und Mai deutlich.
FAZIT
"Prison Island" ist mit seinen 43 Kapiteln und 7 kursivierten Einschüben auf 140 Seiten ein sehr verdichteter Text über zwei unterschiedliche Mädchen, deren Pfade sich kreuzen und beide in gefährliches Fahrwasser führen. Es ist beeindruckend, welche emotionale und psychologische Tiefe Kvalvaag auf diesen wenigen Seiten erzeugt. Dabei erzählt die Autorin ihre traurige Geschichte frei von Kitsch und Klischees.
Hilde K. Kvalvaag, Gerstenberg
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