<b class=review>Denn wir wollten Helden werden …</b>
In einem kleinen flämischen Dorf in Belgien leben die Geschwister Jef, Renée und Remi Claessen mit ihren Eltern sowie Ward Dusoleil, Jefs bester Freund und ein begnadeter Saxophonist, in den sich Jefs Schwester Renée verliebt. Es ist eine schwere Zeit, denn wir sind mitten im Zweiten Weltkrieg und Belgien ist von den Deutschen besetzt. Auch die Familie Claessen muss sich so manche Schikane von den deutschen Besatzern gefallen lassen und trotzdem mischen sie sich nicht ein, halten sie sich aus allem raus und sind bestrebt, so wenig wie möglich aufzufallen. Doch es gibt in dem Dorf auch noch die Widerstandskämpfer, zu denen auch Wards Onkel Theo gehört. Und dann sind da noch die Kollaborateure, jene Belgier, die auf der Seite der Deutschen stehen und mit ihnen gemeinsame Sache machen. Zu diesen Kollaborateuren gehören auch der Pfarrer des Dorfes und der Lehrer Albrechts. Diese beiden sind es, die Jef und Ward mit falschen Versprechungen und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dafür gewinnen wollen, auf der Seite der Deutschen gegen Russland zu kämpfen. Sie reden den Jungen ein, dass nicht die Deutschen die Feinde der Belgier sind, sondern die Bolschewisten, die in Belgien einfallen und die Macht übernehmen wollen. Jef und Ward glauben ihrem Lehrer und wollen ihr Heimatland mit allen Mitteln verteidigen: Kurzum, sie wollen Helden sein. Als Jefs Vater von diesem Vorhaben erfährt, verbietet er seinem Sohn, an der Seite der Deutschen in den Krieg zu ziehen. Ward hingegen ist überzeugt von der Idee und lässt sich von nichts und niemandem davon abbringen, an die Ostfront zu ziehen. Eine Entscheidung, die er bitter bereuen wird, denn er stellt sehr schnell fest, dass er und alle anderen jungen Burschen, die dem Ruf der Kollaborateure gefolgt sind, betrogen wurden. Die Familie Claessen wendet sich von ihm ab und er gilt in seiner Heimat fortan als Vaterlandsverräter.
Es ist nicht einfach, den Inhalt dieses sehr komplexen Romans in wenigen Sätzen zusammenzufassen, denn hier passiert so vieles. Erzählt wird die Geschichte jeweils aus der Perspektive von Ward, Jef, Renée und Remi, die sich in ihren Erzählungen immer wieder abwechseln. Aus wessen Perspektive gerade erzählt wird, ist nicht immer sofort klar und es braucht meist ein paar Sätze oder Absätze, bevor man weiß, wer gerade der Erzählende ist. Eine weitere Herausforderung sind auch die ständigen Zeitsprünge. Die Handlung umfasst die Jahre zwischen 1943 und 1947 und springt innerhalb dieses Zeitraums ständig hin und her. Dieses Buch ist ganz sicher keines, dass man mal schnell so nebenbei weg liest. Dank der flüssigen und ausdrucksstarken Sprache gewöhnt man sich aber bald an diese Art des Erzählens und man ist schnell in der Handlung drin.
Die Autorin lässt zuerst mehrere Handlungsstränge nebeneinander her laufen, die sie erst nach und nach zusammenführt. Doch je mehr die Handlungsstränge ineinander überzugehen und sich zu verweben beginnen, umso mehr steigt auch die Spannung und man spürt, dass sich die Geschichte auf einen besonderen Höhepunkt zu bewegt.
Die Autorin beschreibt ungeschönt und nachvollziehbar die Einflüsse, die ein Krieg auf die Menschen ausübt, wie unterschiedlich letztendlich jeder damit umgeht und von den Ereignissen geprägt wird und wie schwer es gerade für junge Menschen ist, unter solchen extremen Umständen den eigenen Weg zu finden. Das wird besonders an den vier Protagonisten dieses Romans deutlich, deren Entwicklung unterschiedlicher nicht sein könnte. Es sind vier junge Menschen, die von der Autorin mit sehr viel Liebe und Glaubwürdigkeit gezeichnet werden. Sie sind keine Überhelden, sondern Jugendliche mit Ecken und Kanten, die auch mal Fehler machen. Und doch ist jeder auf seine Art ein Sympathieträger.
Auch wenn Krieg ein ernstes Thema ist, gibt es neben den Schattenseiten immer wieder Momente der Hoffnung, blitzt hier und da hinter all dem Ernst auch der Humor durch, gibt es immer wieder kleine Situationen und Begebenheiten, die dem Leser auch mal ein Schmunzeln entlocken. Und auch die Musik spielt in dieser Geschichte eine nicht unwesentliche Rolle.
Fazit
Wer sich weder von der Seitenzahl noch von der ungewohnten Erzählstruktur abschrecken lässt und die nötige Geduld mitbringt, wird hier mit einer wunderbar erzählten Geschichte belohnt, die Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen begeistern kann und zum Nachdenken anregt. Els Beertens Roman nimmt seine Leser gefangen, er ist anspruchsvoll, berührend, manchmal traurig und bedrückend - zugleich ist er aber auch mitreißend, spannend und unterhaltend.
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