Sei lieb und büße
So manche erwachsene Frau ist geradezu begeistert von diesem Buch. Es sieht frisch aus; ein bisschen selbst gemacht und das so gut, dass es ganz klar vom Profi sein muss. Aber das ist nicht der Grund. Sondern: Eine Anleitung zum Klarkommen hätten alle in dem bestimmten Alter gerne gehabt. Und so werden die Erwachsenen es jungen Mädchen stapelweise auf den Nachttisch und ans Herz legen. Damit es ihnen den kürzesten Weg durch die verunsichernden, verklemmten, peinlichen, leidvollen Phasen des Erwachsenwerdens zeigt. Und zwar den richtigen.
Mal ehrlich: auch die jetzigen Mütter hatten doch Ratgeberinnen. Eltern, Patentanten, Omas, Lehrerinnen, die ihnen gesagt haben, dass innere Werte zählen und nicht das äußere Rollenbild, dass ER nicht der richtige sein kann, wenn er verlangt, dass SIE sich völlig ändert, dass Models stundenlang zurecht gemacht werden bis sie so aussehen wie kein normaler Mensch aussehen muss, dass nicht verklemmt ist, wer mit 17 noch keinen Sex hatte und dass das nicht an der Zahnspange liegt – so in der Art ist der Tenor in vielen Kapitel nämlich.
Geholfen hat's wenig. Weil – auch das ist so ein Patentanten-Spruch – jeder seine Erfahrungen selber machen muss. Weil es unmöglich ist, das Ziel des Erwachsenseins zu erreichen ohne den Weg des Erwachsenwerdens zu gehen. Und weil eine 15-Jährige nicht nur meint, es sei ein Weltuntergang in ihrem alten Bikini und mit einem dicken Pickel im Dekolletee ins Freibad zu gehen. Es ist für sie ein Weltuntergang. Dass solche Weisheiten wirken im Laufe des Lebens, und dass sie anders wirken als wenn man mit auf den Weg bekommt, dass eine Frau immer nett, adrett und brav im Bett sein sollte – keine Frage. Aber akut, zwischen 14 und 17, hilft das alles wenig. Auch dieses Buch nicht.
Es ist nicht schlecht, die Kapitel sind zahlreich, mit den üblichen Themen und Titeln: "Lerne dich so zu mögen wie du bist", "Wie Medienbilder zustande kommen", "Schluss mit dem Traum vom Dünnsein". Es gibt viel Mode: Experimente zum Nachmachen, zum Spaßhaben, zum Selbernähen; dann Sex, Sport und jede Menge Mädchensein an sich. "Bewusst subjektiv" nennen die drei Autorinnen die Auswahl, man könnte auch sagen, ein bisschen zusammengewürfelt wirkt es. Und möglicherweise ist es das auch: ein "best-of" ihrer Arbeit. Alle drei sind nämlich Herausgeberinnen des Missy Magazines, einer Frauenzeitschrift, die laut Eigendarstellung die "Berichterstattung über Popkultur, Politik und Style mit einer feministischen Haltung" verbindet. Und machen daneben noch was anderes: befassen sich mit Modetheorie oder arbeiten als Dozentin zum Thema Gender und Sprache.
Und richtig ist es auch nicht immer.
"Warum gibt es nur zwei Geschlechter?" heißt ein Kapitel. Die Antwort darauf lautet sinngemäß: weil das so ist. Es gibt Menschen mit Penis, das sind Männer. Und es gibt Menschen mit Vagina, das sind Frauen. An dieser Stelle möchte man den drei feministischen Berichterstatterinnen über Popkultur, Politik und Style doch raten, mal die Biologiekenntnisse aufzufrischen. Es reicht schon, bei Wikipedia das Wort "intersexuell" oder "transsexuell" einzugeben. Es gibt nämlich Menschen, die Vagina und Penis haben, Hoden und Eierstöcke; die nicht nur ein XY-Chromsomen haben oder YY, sondern XYY. Die biologisch männlich oder weiblich sind, sich aber anders fühlen.
Insgesamt ist das Buch recht abwechslungsreich, es gibt kleine Fragebögen, Checklisten, Info-Kästen. Gut ist, dass der Text nicht so geschrieben ist, wie Menschen um die 40 sich Jugendsprache vorstellen. Nicht gut ist, dass er so geschrieben ist, dass es nur soziologisch interessierte angehende Einser-Abiturientinnen verstehen. So ist es aber und es wäre vielleicht besser, den Titel zu erweitern: "Glückwunsch, du bist ein Mädchen und du bist in eine sehr gebildete Familie geboren worden; du verstehst nicht nur solche Sätze über die "typisch weiblichen Fähigkeiten Empathie, Besonnenheit, Teamfähigkeit, Kooperation und Kommunikationsfähigkeit, die mehr gefragt sind als Durchsetzungsfähigkeit, Konkurrenzdenken und Dominanz". Du hast danach auch Lust, weiter zu lesen. Über die "feministischen Kämpfe, die deine Vorgängerinnen in den vergangenen Jahren ausgetragen haben"; oder über die Sportart Parcours, die "eine Bewegungsform im urbanen Raum ist, die euch die Möglichkeit bietet, euch eure Umgebung auf eure eigene Weise anzueignen", und über anderes Abstrakt-theoretische mehr.
Zum Schluss noch was Nettes: die kleinen schwarzen Eumelchen als Cartoons auf den Seiten sind witzig und niedlich; die farbigen, tanzenden Kapitelüberschriften machen gute Laune und die vielen in den Text gestreuten Fotos, die fast alle einfach nur normale Mädchen zeigen, von denen jedes so unterschiedlich ist wie Tag und Nacht.
Fazit
Eine Anleitung zum Klarkommen in der Pubertät. Klingt zu gut um wahr zu sein – und so ist es ja auch. Erstens verspricht der Titel mehr als er hält; das Buch ist ein Sachbuch vom Erwachsenwerden, mit viel Interessantem, Ermutigenden, aber auch nicht mehr. Und zweitens: durch die Pubertät muss man eben einfach selber.
<b>Undurchsichtige Machenschaften</b>
Sina ist neu in Kranbach. Erst vor kurzem aus Berlin in die Kleinstadt gezogen, ist sie auf der Suche nach Anschluss. Gleichzeitig muss sie sich um ihren Bruder Ben kümmern, denn auf ihre Mutter ist nicht zu zählen und ihr Vater ist arbeitsbedingt ständig unterwegs. Da trifft es sich gut, dass ihr Basketballtrainer Frederik, genannt Rik, nicht nur ihre sehr guten Leistungen zu würdigen weiß, sondern auch etwas für sie empfindet. Doch kurz bevor die Romanze zwischen den beiden wirklich anfangen kann, hat Rik einen Unfall, der ihn ins Koma katapultiert. Plötzlich muss Sina sich fragen: Was hat der Tod von Mia letztes Jahr damit zu tun? Wem kann sie trauen? Wer sind ihre wahren Freunde? Und so gerät sie schnell in eine Zwickmühle, die nicht nur Rik, sondern auch und vor allem sie selbst bedroht und auf einmal geht es um drei Leben gleichzeitig.
Sina spielt Basketball, und das sehr gut. Als Rik jedoch im Koma liegt und der unbeliebte Sportlehrer das Training leitet, spielt Céline, die Teamkapitänin ihre Macht aus und versetzt Sina auf die Bank. Wie Sina vermutet aufgrund ihrer Romanze mit Rik, in den auch Céline verknallt war oder ist. In ihrer Wut gegen Céline findet Sina überraschende Verbündete: Laureen, Bessy und Tabea werden von vielen nur die "Pradazicken" genannt, zu Sina sind sie aber sehr nett und freunden sich mit ihr an.
Um mehr über Rik heraus zu finden, geht Sina zu ihm nach Hause und trifft Max, seinen Mitbewohner. Max ist alternativ, läuft mit abgetragenem Anzug und Hut herum und man ist sich als Leser ebenso wenig sicher wie Sina, ob er mit ihr flirtet oder einfach nur nett ist.
Schon direkt nach Riks Unfall regt sich in Sina der Verdacht, dass es dabei nicht mit rechten Dingen zugeht. Das kann sie jedoch nicht beweisen, und so sucht sie in Riks Zimmer nach Hinweisen und findet tatsächlich eine Notiz, auf der von einer Cruella die Rede ist, die Mia in den Tod getrieben haben soll. Mia? Laureen, Bessy und Tabea (mittlerweile ihre einzigen und besten Freundinnen) erzählen ihr, dass sie die Freundin von Rik war und vor einem Jahr Selbstmord begangen hat. Es gilt also nun, herauszufinden wer Cruella ist und ob sie etwas mit Riks Unfall zu tun hat. Dabei stößt Sina auf einige Widersprüche und die Liste der Verdächtigen wird immer länger und der Fall immer undurchsichtiger.
Dass die Polizei nichts von einer Straftat wissen will macht es nicht einfacher, und so ist Sina ganz auf sich allein gestellt und weiß irgendwann nicht mehr, wer wirklich ihre Freundin ist und ob nicht Céline doch ganz nett ist oder ihre neuen Freundinnen nicht so sauber wie sie vorgeben; die Rolle von Max in der Geschichte bleibt auch bis zuletzt offen. Und zu allem Überfluss droht das Abitur. Und ihr kleiner Bruder Ben möchte auch von der Schule abgeholt werden. Auf einmal wendet sich scheinbar die ganze Welt gegen Sina.
Cybermobbing und Langeweile: Eine unheilvolle Mischung
Da die Geschichte nicht nur aus Sinas, sondern aus der Erzählerperspektive erzählt wird, und immer wieder von Passagen aus Tabeas Sicht und von Mias Tagebucheinträgen durchbrochen wird, ergibt sich für den Leser ein Puzzle, das sich nach und nach zusammen setzt. Doch bis zuletzt bleiben die Zusammenhänge rätselhaft. Das Ende kann dann leider nicht halten, was bis dato an Spannung aufgebaut wurde und ist enttäuschend banal.
In Janet Clarks Thriller werden klassische Probleme eines Teenagers beschrieben, in die sich der jugendliche Leser auch dank der angemessenen Sprache schnell und einfach hineinversetzen kann. Nach einem eher typischen Einstieg in die Geschichte werden bekannte Fragen gestellt: Wer ist wirklich mein Freund? Wie soll ich alle meine Aufgaben unter einen Hut bekommen?
Und so geht es um Loyalität, Eifersucht, Liebe und sehr viel um Mädchenfreundschaften. Das schränkt in meinen Augen die Zielgruppe ein auf Mädchen ab 12 und Jungs, die auch mit vermeintlichen Mädchengeschichten etwas anfangen können. Denn auch wenn die Geschichte von Mädchen erzählt wird, ist sie doch sehr spannend und hat Aspekte von einer guten Detektivgeschichte.
Das Ende hat mich überrascht, jedoch auch ein wenig frustriert. In seiner Banalität passt es aber vielleicht genau in die heutige Zeit aus Cybermobbing und großer Langeweile unter Teenagern. Auf jeden Fall regt es zum Nachdenken an auch über eigene vermeintlich konsequenzlose Handlungen im Cyberspace.
Fazit:
Sei lieb und büße ist eine Empfehlung für alle Mädchen ab 12, die bisher noch wenig Erfahrung mit Thrillern haben, denn die spannende Geschichte um Mord (oder nicht?) und die Ermittlung von Sina ist in die einfühlsame Teenager-Geschichte sehr harmonisch eingewoben Ein gutes Buch!
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