Du. Wirst. Vergessen.

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2013
  • 0

Vorgeschichte

Zeitentod bildet zusammen mit Feuerfluch das Finale der sechsbändigen Reihe "Die fünf Tore" von Anthony Horowitz. Zuvor erschienen sind Todeskreis, Teufelsstern, Schattenmacht und Höllenpforte. Im englischen Original heißt der Zyklus "The Power of Five", und das Finale ist in einem einzigen Band erschienen, Oblivion.

Der Reihentitel "Die fünf Tore" ist irreführend, denn es gibt keine fünf Tore, sondern nur zwei. Aber da sind fünf Torhüter, die Zwillinge Jamie und Scott, Pedro, Scarlett und ihr Anführer Matt, alle fünfzehn Jahre alt. Jeder verfügt über eine besondere Fähigkeit, die sich vervielfältigt, wenn sie zusammen sind. Und nur gemeinsam können diese Auserwählten die Welt vor den Alten bewahren. Das sind eine Art Dämonen aus einer anderen Dimension, die Spaß an der langsamen Zerstörung der Welt haben, am Leid und Elend der Menschen. Bei ihrem Werk dienen ihnen Mutanten, Gestaltwechsler und die Nightrise Corporation, einer Gruppe ehrgeiziger Menschen aus Wirtschaft, Politik und Medien, die mit Geld, Ruhm und Macht belohnt werden.

Die fünf Auserwählten leben verstreut über den ganzen Globus. Doch in der Traumwelt können sie Kontakt zueinander aufnehmen, und über die fünfundzwanzig magischen Türen, die an heiligen Stätten über der Erde verteilt sind, können sie sich in Sekundenschnelle an jeden Ort mit einer magischen Tür transportieren. Unterstützt werden sie vom Nexus, einem Bündnis von Menschen unterschiedlichster Herkunft, darunter Geschäftsleute und Forscher, aber auch Journalisten, wie der Brite Richard, oder Gangster, wie der chinesische Triadenboss Lohan.

Im letzten Band Höllenpforte haben sich die Fünf in Hongkong zum ersten Mal getroffen, um die Alten daran zu hindern, nach zehntausend Jahren durch eines der beiden Tore aus der anderen Dimension in die Welt zurückzukehren. Es ist ihnen nicht gelungen. Stattdessen mussten sie vor einem Taifun durch eine magische Tür fliehen.

Zehn Jahre später ...

Zeitentod knüpft direkt an die Vorgeschichte an. Als die Fünf aus einer der magischen Türen wieder heraustreten, sind sie getrennt und finden sich an den verschiedensten Enden der Erde wieder. Scott und Pedro werden gleich bei ihrer Ankunft  in San Galgano bei Neapel von den Alten gefangen genommen. Scarlett und Richard landen bei den Pyramiden von Giseh, wo sie mitten in einen Bürgerkrieg und in die Hände des Rebellenführers Akkad geraten. Jamie findet sich in einem ostenglischen Dorf wieder, das sich von der Außenwelt isoliert hat. Matt und Lohan treffen im brasilianischen Belén ein.

Die Welt, die sie kannten, existiert nicht mehr. Denn aus unbekannten Gründen haben sie einen Zeitsprung von zehn Jahre gemacht und die Alten haben in der Zeit ihrer Herrschaft ganze Arbeit geleistet. Das Bankensystem ist zusammengebrochen, es hat mehrere Terroranschläge gegeben, schwere Ausschreitungen, Völkerwanderungen, Hungersnöte, Überschwemmungen, die globale Erwärmung und Kriege. Die Alten kontrollieren Volkswirtschaften und Regierungen, verursachen Naturkatastrophen und zerstören die Zivilisation. In England ist alles zusammengebrochen, Italien ist ein Polizeistaat. Die Menschen vegetieren im Elend, nur die Nightrise-Leute leben im Luxus.

Die magischen Türen funktionieren nicht mehr. In der Traumwelt ruft Matt seine Freunde zusammen und teilt ihnen seinen Plan mit. Sie alle sollen nach Oblivion kommen, einem Ort in der Antarktis. Dort hat der Anführer der Alten, Chaos, eine Festung errichtet und erwartet mit seiner Armee die Fünf zum letzten Kampf.

Düstere Szenarien

Jeder der Fünf ist auf sich allein gestellt. Zeitentod beschreibt in einzelnen Kapiteln, wie sich die Fünf in ihrer neuen Umgebung orientieren und mit schwierigen Herausforderungen umgehen. Jamie scheint es am leichtesten zu haben, doch er muss feststellen, dass die Dorfbewohner einen harten Kampf ums Überleben führen und von außen und innen bedroht werden. Scarlett, die bei der Flucht einen Kopfschuss erlitten hat, findet sich mitten in einem Bürgerkrieg und im Lager des charismatischen wie undurchsichtigen Rebellenführers Akkad wieder. Akkad will sie für seine Zwecke benutzen und ersinnt einen perfiden Plan, bei dem sie helfen soll, Feldmarschall Karim zu stürzen. Ihre Flucht führt sie nach Dubai, einem Land mit obszönem Reichtum, das von einem wahnsinnigen, unberechenbaren Scheich beherrscht wird. Scott und Pedro werden bei ihrer Ankunft gefangen genommen und im Castel Nuovo von Neapel gesperrt, wo sie gequält und ausgehungert werden. Matt schlägt sich durch Brasilien, einem Land, in dem Eltern ihre Kinder verkaufen und am Ende sich selbst. Außer mit Sklavenhändlern bekommt er es mit einem mächtigen Drogenbaron zu tun. Keiner der Fünf weiß, wie es weitergehen soll und wem er wirklich vertrauen kann. Alle müssen schwierige Entscheidungen treffen, die sie das Leben kosten können.

Horowitz entwickelt sehr unterschiedliche Szenarien und spitzt zu, um deutlich zu machen, was die Menschen einander antun, insbesondere den Kindern und Jugendlichen. Das Leben ist ein Überlebenskampf mit nur wenigen kleinen Erholungspausen. Pedro und Jamie finden einen neuen Freund beziehungsweise eine neue Freundin, es gibt nicht die Andeutung einer Romanze, und  einer der Fünf wird zum Verräter.

Die Handlung spielt zehn Jahre in der Zukunft, doch alles wirkt sehr realistisch, vieles ist heute schon Realität und es gibt viele aktuelle Bezüge. Nichts wird beschönigt, auch nicht die Brutalität. So wird anschaulich beschrieben, wie Pedro gefoltert und ihm der kleine Finger gebrochen wird, oder wie einem Jungen Drogenpäckchen in Brust und Bauch eingepflanzt werden. Auch thematisch stellt der Roman einige Ansprüche, beispielsweise wenn Triadenboss Lohan feststellt, dass er sich nicht schämt, ein Krimineller gewesen zu sein. "Ehrlich gesagt, bin ich lieber ein Verbrecher als ein Politiker. Zumindest habe ich in meinem Beruf weniger Schaden angerichtet." (S.374) Den Handel mit Drogen verteidigt er, es sei nur eine Frage des Marktes, eine Sache von Angebot und Nachfrage.

Der Verlag empfiehlt das Buch ab 12 Jahren. Aufgrund der thematischen Herausforderungen und der drastischen Schilderungen von Brutalitäten dürfte es für Jugendliche im Alter der Helden besser geeignet sein.

Das Buch lässt sich ohne Kenntnis der vier vorigen Bände lesen, da die Vorgeschichte im Text nachgereicht wird. Allerdings muss es zusammen mit Feuerfluch gelesen werden, dem zweiten und letzten Teil des Finales.

Fazit

Zeitentod ist eine spannende, anspruchsvolle und intelligente Dystopie mit Fantasy und Horror und viel Action, schnell erzählt und nichts für schwache Gemüter.

Du. Wirst. Vergessen.
Du. Wirst. Vergessen.
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Sanja Döttling
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonDez 2013

Kein Entkommen vor dem Programm

Sloane hat Angst. Wie alle anderen Jugendlichen auch. Das Programm hat langsam immer mehr Macht bekommen und schwebt jetzt als unsichtbare Macht über allen Jugendlichen.

Die Selbstmordrate unter Jugendlichen ist in der Vergangenheit immer höher geworden; die Ärzte sind ratlos. Inzwischen vermuten sie, dass sich unter den Jugendlichen eine Epidemie ausbreitet: eine, die sie erst in Depressionen und dann in den Tod führt. Heilungsmethoden: Fast keine. Außer das vollständige Löschen aller Erinnerungen, so dass die Jugendlichen noch einmal von vorne anfangen können. Von vorne und ohne Vergangenheit, ohne Persönlichkeit.  Das Programm hat diese Aufgabe übernommen, und weitet seine Kontrolle über Elternhaus und Schule immer weiter aus. Schon der kleinste Gefühlsausbruch kann dazu führen, dass ein Jugendlicher verschwindet und als eine andere Person zurückkommt.

Deshalb stehen Sloane und ihre Freunde so unter Druck: Jede Gefühlregung kann sie verraten. Hätte Sloane nicht ihren Freund James, wäre sie schon längst zusammengebrochen. Und dann zeigt James erste Anzeichen von Depression. Sloane versucht alles, um ihn zu schützen, doch das Programm ist mächtiger. Ihr Freund wird eingewiesen, und sie bleibt allein zurück. Doch Gefühle kann sie sich nicht leisten, sonst ist sie die Nächste.

Du. Wirst. Vergessen. von Suzanne Young eröffnet eine ganz neue Version des Überwachungsstaates. Eine, die wie jeder Überwachungsstaat wohl argumentieren würde, im Auftrag des Guten handelt: Schließlich werden durch die Gehirnwäsche die Leben der Jugendlichen gerettet. Doch so einfach ist es dann nicht: Wer gibt schon freiwillig seine Person auf? Sind es nicht die Erinnerungen, die einen prägen und formen?

Solche Fragen stellt die Autorin vor dem Hintergrund einer fruchtbaren, nahen Zukunft. Das Programm als der rationale Vernichter – und ihm gegenübergestellt nur Sloanes unendliche Liebe für ihren Freund James. Es wirkt wie ein aussichtsloser Kampf, aber einen, den Sloane führen muss. Sloane selbst ist eine sehr starke Hauptfigur, die lange unabhängig kämpft, bevor das Programm sie überwältigt und in seine Gewalt bringt.

Gewalt kann in diesem Sinne auch ganz wörtlich genommen werden. Einer der allmächtigen Betreuer bietet ihr einen Deal an: Sex gegen eine Erinnerung. Sie stimmt zu. Schade, dass ein Jugendbuch auf solche Mittel zurückgreifen muss, die Hilflosigkeit der Protagonistin zu zeigen. Das ist zwar nur eine kleine Szene, aber doch ein Schlüsselmoment in der Erzählung. Man fragt sich doch: Ist es wirklich nötig, eine solche Szene zu beschreiben?

Abgesehen davon ist das Programm ein äußerst ausgeklügelter Gegner, der die Protagonisten an ihr Äußerstes treibt. Ihre Hilflosigkeit ist ebenso ergreifend wie ihre verzweifelten Versuche, sich zu wehren. Das macht die Erzählung durchgehend spannend und interessant.

Die Liebesgeschichte zwischen Sloane und ihrem Freund James ist feinfühlig erzählt. Im Gegensatz zu vielen anderen romantischen Jugendbüchern ist ihre Beziehung schon lange etabliert, bevor die Geschichte einsetzt. Nur nach und nach wird ihre Geschichte enthüllt. Ihre Beiziehung ist viel erwachsener als die vieler anderer Jugend-Liebesgeschichten. Doch ihre Beiziehung wird in dem Buch auch kritisch hinterfragt: Ist die Anhänglichkeit der beiden wirklich Liebe, oder halten sie nur zusammen, weil sie alle anderen Freunde schon an die Krankheit verloren haben?

Fazit

Der Roman stellt spannende Fragen zur Entwicklung der Persönlichkeit. Die Spannung, die die Übermacht des Programms erzeugt, macht diese Fragestellung geradezu überlebenswichtig. Eingebettet in diese Elemente des Psychothrillers erzählt das Buch eine ergreifende, lebensnahe Liebesgeschichte. Leider wird in diesem Buch noch nicht allzu viel über die Hintergründe der Krankheit und des Programms gesprochen. Dennoch ist die Lektüre eine gute, die die Waage zwischen wichtigen Fragen und spannendem Plot hält.

Du. Wirst. Vergessen.

Suzanne Young, Blanvalet

Du. Wirst. Vergessen.

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