Angst und Verzweiflung werden greifbar
Nichts hat Johanna auf den Anruf vorbereitet. Das Mädchen glaubt zunächst an einen geschmacklosen Scherz, als der Anrufer von ihr fordert, nachts zur Brücke zu kommen und schenkt dem Ganzen kaum Beachtung. Doch am nächsten Morgen sind mehrere Menschen tot, umgekommen bei einem Unfall bei der Brücke. Der Fremde meldet sich erneut und macht Johannas Fernbleiben für den Unfall verantwortlich. Er verlangt von ihr, sich an einem anderen Ort zu treffen. Ausgerechnet auf dem Rummelplatz soll Johanna die erste Fahrt auf der Achterbahn mitmachen. Sie fürchtet sich vor der Bahn und muss ihren ganzen Mut aufbringen, einzusteigen. Allerdings schafft sie es nicht zur ersten Fahrt. Und prompt passiert wieder jemandem etwas, weil sie die Forderungen des Anrufers nicht genau erfüllt hat. Verzweifelt versucht sich Johanna dem anonymen Bedroher zu stellen. An ihrer Seite weiß sie ihren Freund Leon, dem sie zunächst nichts hatte erzählen wollen. Leon wohnt inzwischen eine ganze Ecke von Johanna weg. Doch als hätte Leon ihre Not erkannt, taucht er rechtzeitig auf, um mitzuerleben, wie Johanna immer stärker in den Sog von Angst und Verzweiflung gerät.
Seinen Roman richtet Klaus-Peter Wolf an ein jugendliches Publikum. Er taucht dabei stark in die Welt der Jugendlichen ein, spielgelt ihre Gewohnheiten und übernimmt auf eine unaufdringliche Art auch ihre Sprache, ohne sich dabei anzubiedern. Damit legt er eine hervorragende Grundlage für einen stimmigen Thriller, bei dem alle Elemente zusammen passen. Die Geschichte beginnt langsam, steigert sich sukzessive im Tempo und gipfelt in einem gekonnt inszenierten Höhepunkt. Der Autor spielt mit den Gefühlen seiner Protagonisten und weiß, die wachsende Panik des Mädchens gekonnt in Szene zu setzen. Damit schafft er eine beklemmende Situation. Der Leser wird sich mehr als einmal fragen, wie er wohl in Johannas Situation reagiert hätte, ob er sich dem düsteren Sog der Drohung früher oder anders hätte entziehen können. Die Geschichte bewegt durchaus nicht nur ein jugendliches Publikum. Der Thriller ist so subtil konzipiert, dass auch erwachsene Leser unvermittelt von der Situation gefangen sind und das Buch kaum aus den Händen legen wollen.
Mit Johanna und Leon hat der Autor ein sympathisches Protagonisten-Paar gewählt. Es sind gefällige Jugendliche, die sich der düsteren Drohung tapfer zu stellen versuchen, und dabei doch nicht umhin können, der wachsenden Panik und dem Gefühl, der Situation machtlos ausgeliefert zu sein, Raum zu geben. Gerade weil der Autor hier eine sehr realistische Handlungsweise der Jugendlichen aufbaut, wirkt sie nicht überzeichnet oder unnatürlich. Das verleiht der ganzen Geschichte Tiefe. Dass Leon eine ganze Weile braucht, um die Situation zu erfassen und seine Skepsis abzulegen – zunächst zweifelt er an Johannas Darstellungen – gehört zu den Elementen, die diesen Thriller zu einem sehr "erwachsenen" Jugendbuch machen. Der Autor schafft keine Überhelden, lässt die Jugendlichen aber einen wichtigen Prozess erleben: Sie geraten an ihre persönlichen Grenzen, schwanken einen Moment zwischen der Gefahr, an der Situation zu zerbrechen und der Möglichkeit, über sich hinaus zu wachsen und sich dem Ganzen zu stellen. Diese Zerrissenheit stellt Wolf ausgezeichnet dar und es ist auch schlüssig, weshalb sich die Beiden schließlich dem unbekannten Bedroher entgegen zu stellen versuchen.
FAZIT
Mit Neongrüne Angst legt Klaus-Peter Wolf einen überzeugenden Thriller vor, der alle Elemente enthält, um spannende Unterhaltung zu bieten. Sowohl die Story als auch der Schauplatz sind gut gewählt und perfekt aufeinander abgestimmt. Auch wenn der Thriller klar auf ein jugendliches Lesepublikum zugeschnitten ist, so vermag er doch auch erwachsene Leser in Bann zu ziehen.
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