Ein Buch wie ein einziger Slam
Jaromir Konecny ist bisher vor allem als Poetry-Slammer in Erscheinung getreten. Poetry Slam, das freie Vortragen von selbst geschriebenen Texten jeder Art, ist vor allem darauf angelegt, den Zuschauer unmittelbar und mit wenig Worten in kurzer Zeit zu berühren und/oder zu amüsieren.
Mit Tote Tulpen hat Konecny nun seinen ersten Krimi vorgelegt, der die Herkunft des Autors jedoch nicht verheimlichen kann, das aber im allerbesten Sinne. Die Personen sind einerseits komplett absurd, andererseits aber wieder direkt aus dem Leben gegriffen.
Leon ist 16 und eigentlich viel cleverer als er zugeben möchte. Die Rolle des Trottels hat er nicht nur im Kinderheim, sondern vor allem auch im Jugenknast gelernt, wo er ein Jahr einsaß und sich dabei vor allem um Salami, seinen kleinen und nicht so durchsetzungsstarken Freund kümmerte. "Wer sich seiner Glorie bewusst ist, ehrt sich, indem er in Schande lebt" heißt sein Motto. Doch Laura, die Tochter seines neuen Chefs - und Ermittlerin ersten Grades in ihrem neuen Mordfall -stellt diese Einstellung häufig auf die Probe. Denn obwohl er es sich nicht eingestehen möchte, hat sich Leon sehr schnell in Laura verguckt. Und die fährt nur so halb auf seine Masche ab, also muss er sich eine neue Rolle zulegen. Dass er aber am Ende einfach nur er selbst sein muss, bei dieser langsam reifenden Erkenntnis kann der Leser ihm beinahe zusehen.
Ein Krimi, der keiner sein will aber doch einer ist
Aus der Ich-Perspektive von Leon geschrieben, wartet der Krimi mit einigen sehr lustigen Stellen auf und ist in einer unglaublich authentischen und lockeren Sprache geschrieben, die den Zynismus von Leon sehr subtil transportiert. Die vollkommen absurde Welt, in die man als Leser herein gezogen wird, tut ihr übriges, und so hat man als Leser ein sehr kurzweiliges Leseerlebnis.
Auch wenn die Story an sich keine Neuerfindung des Genres des Krimis ist (und auch bestimmt nicht sein möchte) ist sie ganz groß darin, wie sie die typischen Genre-Klischees zu bedienen scheint und es dann doch nicht tut. Auch die für einen Krimi nötige Spannung baut sich langsam aber beständig auf, trotz den flapsigen Dialoge und der etwas voraussehbaren Liebesgeschichte zwischen Leon und Laura.
Authentische jugendliche Sprache
Die direkte Ansprache des Lesers an einigen Stellen sprengt den klassichen Rahmen des alltäglichen Krimis, einfach nur klasse. An einigen Stellen habe ich mich dabei erwischt, wie das gelesene in meinem Kopf von einem Slammer aufgesagt wurde und ich mir eine Lesung des ganzen Buchs vom Autor gewünscht habe. Aber nicht, weil der Krimi gelesen nicht toll ist, sondern weil er so sprachlich hervorragend ist. Die Jugendsprache, die Leon benutzt und die durch seinen Aufenthalt im Heim und im Knast geprägt ist, wirkt nie aufgesetzt oder unangemessen. Stattdessen hatte ich den Eindruck, dass hier wirklich ein 16jähriger zu mir spricht und mir seine Geschichte erzählt. Und ich wollte ihm sämtliche 240 Seiten lang zuhören und wünsche mir jetzt möglichst schnell eine Fortsetzung oder sonst ein anderes Buch von Konecny an die Hand. Stattdessen werde ich jetzt erst einmal sämtliche Slam-Auftritte schauen, die ich von ihm auf YouTube finde.
Fazit
Tote Tulpen ist nur auf den ersten Blick ein Jugendkrimi. Auf den zweiten ist es ein Kunstwerk, das die Grenzen des klassischen Krimis sprengt, dabei einen Einblick in den ganz normalen Wahnsinn von Jugendlichen bietet und ständig einen Gag bereithält. Ein Leseerlebnis der Extraklasse für alle ab 14!
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