Mind the Gap! Wie ich London packte
Seth wacht, nachdem er glaubt ertrunken zu sein, an einem sehr merkwürdigen Ort auf, den er zunächst für die Hölle hält. Manchmal hat er jedoch das Gefühl, er könne diese Welt beeinflussen, bzw. sie würde seinen Gedanken und Wünschen folgen. Und wenn es die Hölle ist, warum wird er dann im entscheidenden Moment von zwei anderen Jugendlichen gerettet? Diese Fragen müssen die drei zusammen beantworten und dabei geht es mehr als nur einmal um Leben und Tod (was auch immer das in dieser Welt heißen mag).
Patrick Ness wählt in Mehr als Das einen sehr spannenden und packenden Erzählstil: Die Handlung wird immer wieder unterbrochen von Rückblenden in Seths vorheriges Leben, das an ihm vorüber zieht, wenn er schläft. Und so setzt sich wie ein Puzzle nach und nach für den Leser das Bild zusammen, das den Hintergrund für die eigentliche Handlung liefert, diese jedoch auch kaum verständlicher macht. Die Welt, in der Seth nach seinem Tod aufwacht, ist ihm zwar fremd, aber insofern bekannt als er vor dem Haus seiner Jugend aufwacht. Bis auf ihn gibt es keine anderen Menschen, und auch so gut wie keine Tiere. Dazu ist die ganze Welt mit Staub bedeckt und wirkt so als hätten alle Menschen auf einmal beschlossen, sie blitzartig zu verlassen. Nachdem er also Nahrung beschafft hat, muss er sich seiner absurden und beängstigenden Situation stellen.
Eine Welt im Kopf?
Seth bekommt den Eindruck, dass die Welt nur in seinem Kopf sein könnte, denn sobald er sich darüber wundert, dass es keine Tiere gibt, läuft ihm eine Rehfamilie über den Weg. Auch der Outdoor-Laden, in dem er sich ausrüsten kann, ist verdächtig nützlich und genau passend für ihn in seiner Situation. Als er eine Entscheidung trifft, die weitreichende Konsequenzen haben könnte, wird er davon abgehalten, aber nicht (oder doch?) von seinem Unterbewusstsein, sondern von anderen Jugendlichen. Woher sie kommen, was sie tun und ob es sie wirklich gibt? Kann man das alles überhaupt zweifelsfrei feststellen? Und was hat das alles zu bedeuten? Mit jeder Antwort scheinen viele neue Fragen aufzutauchen...
Ein philosophisches Experiment in Jugendbuchform
Der Roman liest sich das erste Viertel leider ziemlich schleppend, auch wenn die Ausgangssituation sehr originell und extrem packend ist. Aber die Handlung will nicht so richtig Fahrt aufnehmen, und wenn sie es tut, war sie mir persönlich zu voraussehbar und wenig überraschend. So bleibt es in meinen Augen ein spannendes Experiment, die philosophischen Fragen nach der Wirklichkeit und wie wir überhaupt wissen wollen, welche Welt die reale ist und was das überhaupt heißt, real, in einen Jugendroman zu verpacken.
Der Titel verweist bereits auf die Frage, die sich viele Jugendliche stellen: (Gibt es) mehr als Das? Und mit Das ist meistens alles um einen herum gemeint. Doch anstatt in seinem Roman irgendeinen Halt zu liefern oder auch nur den Hinweis auf Antworten, verwirrt Patrick Ness den Leser nur noch mehr. Diese Verwirrung könnte erkenntnisfördernd und anregend sein, um selbst nachzudenken, war es bei mir aber leider nicht. Denn dafür sind die Zweifel, die Seth immer wieder kommen nicht plastisch genug und ich konnte mich mit ihnen nicht identifizieren.
Patrick Ness nimmt sich viel vor, möchte meinem Eindruck nach alle Existenz- und Identitätskrisen einfangen. Doch dafür gelingt es ihm nicht genug, den Leser zu fesseln und ein Verhältnis zu ihm/ihr herzustellen. Die Lebensgeschichte von Seth ging mir zwar nahe, hat mich aber nicht richtig gepackt und in die Handlung gesogen. Positiv ist zu erwähnen, dass eine schwule Liebesbeziehung von Jugendlichen ohne Stigmatisierung beschrieben wird und die fatalen Konsequenzen, die Vorurteile und Ressentiments in vielen Fällen klar werden. Nach der Lektüre wird der jugendliche Leser kaum mehr homophobe Witze machen und für dieses Thema sensibilisiert sein, so hoffe ich. Und das ist nur wünschenswert
Fazit
Eine sehr originelle Idee, ein spannendes Experiment in Jugendbuchform, das sich für mich als Leser aber nicht gelohnt hat. Leider bleibt es für mich als gescheitertes Experiment in Erinnerung. Das macht die Idee aber nicht schlechter und übrig bleibt ein schleppend beginnender, gegen Ende spannender Abenteuerroman für Jugendliche ab 14.
voller spannender und skurriler Geschichten
Filippa ist 18, hat gerade in Schweden das Abitur gemacht und zieht nach London, um hoffentlich an der Royal Drama School Schauspiel zu studieren. Dafür muss sie aber diesen sehr begehrten Platz erst noch bekommen und bis auf die erste Woche hat sie auch noch keine Unterkunft. Diese Unterkunft stellt sich nicht als das dar, was sie sich vorgestellt hat und auch sonst muss Filippa feststellen, dass London voller Überraschungen steckt und nicht immer das bereithält, was sie sich ausgemalt hat.
Filippa reist aus Schweden als 18-jährige drei Tage nach dem Abitur nach London. Sie hat sich ein Zimmer gemietet, oder vielmehr ein Bett in dem Zimmer, das sie zusammen mit Louise bewohnt. Und eigentlich ist es auch nur eine Luftmatratze. Sie zieht um in einer 3er-WG und arbeitet als Bureau Angel (nach unzähligen Rückschlägen und Absagen) unter der schlimmsten vorstellbaren Chefin. Dieses Schema zieht sich durch ihre gesamte Zeit in London: Den einen Tag läuft alles bestens und sie ist überglücklich, in dieser aufregenden Stadt zu leben und am nächsten Tag ist sie zu Tode betrübt, stellt alles in Frage und möchte am liebsten wieder zurück nach Hause.
Dass ihre Wohnung den merkwürdigsten Vermieter hat, den man sich vorstellen kann und dass sie zwar denkt, einen coolen Boyfriend zu haben, der aber nichts davon weiß, macht die ganze Sache nicht einfacher. Aber zum Glück gibt es doch noch gute Zufälle und ihre Mitbewohnerinnen stehen ihr zur Seite.
Der Traum des Studiums an der Royal Drama School lebt natürlich immer weiter. Kurzweilig wird in Mind the Gap das alltägliche Leben mit all seinen Problemen und Höhen und Tiefen eines Mädchens erzählt, das auszieht aus der schwedischen Provinz um das große London zu erobern. Dass London davon weder weiß, noch diesem Vorhaben entgegen kommt sorgt für einige schwierige und auch spannende Situationen.
Die Erzählperspektive ist zwar auf Filippa konzentriert, jedoch in der dritten Person. Viel Dialog und einige Einsichten in Filippas Innenleben machen es dem Leser ab 16 Jahren leicht, sich in sie hinein zu versetzen. Die Probleme, denen sie begegnet, wird jeder Teenager kennen und ihnen so oder so ähnlich schon gegenüber gestanden haben.
Mir hat der Roman sehr gut gefallen, er ist sehr kurzweilig und das Setting gefällt mir als London-Fan gleich doppelt: Die Stadt in all seinen Zufällen wird toll dargestellt und obwohl aus der Sicht eines Mädchens erzählt, konnte ich mich gut in die Geschichte hinein versetzen und hatte ein tolles Leseerlebnis.
Fazit
Ein sehr kurzweiliger Roman für jede(n), die schon immer mal von dem Leben in einer Großstadt geträumt hat und die plant, auf eigene Faust auszuziehen und die Welt zu erobern. Dieses Buch macht Lust darauf und ist dabei auch noch voller spannender und skurriler Geschichten, die mal zum lauten Lachen und dann wieder zum betrübt sein anregen. Insgesamt eine super Lektüre für den Weg in den Urlaub und für alle daheim Gebliebenen!
Deine Meinung zu »Mind the Gap! Wie ich London packte«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!