Die Herrscher von Dhaleth, Der Feueropal
Ginge es nach den Eltern, würde Calpurnia brav Klavier spielen, sticken und sich in häuslichen Tugenden üben. Doch da ist zum Glück der Großvater, zu dem das Kind anfänglich eine eher distanzierte Beziehung hat. Er hat erkannt, dass dem aufgeweckten Mädchen all die Dinge, die zur Rolle der Frau im beginnenden 20. Jahrhundert gehören, nicht reichen. Die knapp 12-Jährige hat ihre Liebe zur Natur entdeckt und geht mich weit geöffneten Augen durchs Leben. Sehr zum Missfallen der Eltern, die sich eine etwas konventionellere Tochter gewünscht hätten, ist sie doch das einzige Mädchen zwischen sechs Brüdern. Calpurnia indes lässt sich nicht beirren. Unterstützt durch den Großvater – und von ihm mit der entsprechenden Literatur versorgt – widmet sich Calpurnia ganz ihren Entdeckungen und träumt davon, einen Weg als Wissenschaftlerin zu gehen. Doch so sehr sich Calpurnia für die Natur interessiert, auch die Geschehnisse in ihrer Familie gehen nicht ganz unbemerkt an ihr vorbei. Mit Sorge beobachtet sie etwa das Liebesleben ihrer Brüder.
Es ist ein bezauberndes Buch, das Jacqueline Kelly hier vorlegt. Sie ermöglicht es den Leserinnen und Lesern, in die Haut von Calpurnia zu schlüpfen und mit deren kindlicher Naivität die Natur hautnah und ganz neu zu erleben. Und immer wieder ertappt man sich dabei, dass das Mädchen auf all die neuen Erfahrungen genau so reagiert, wie man selber reagieren würde. So etwa erschrickt die kleine Forscherin darüber, was sich so alles an Kleinstlebewesen in Flusswasser tummelt – und beschließt, auf das Schwimmen im Fluss zu verzichten. Oder sie beobachtet mit einem gewissen Amüsement und doch einer unerwarteten Ernsthaftigkeit, wie der Großvater immer neue Versuche anstellt, um Whiskey zu brennen. Der größte Zauber des Buches liegt denn auch in der sich zunächst zögernd entwickelnden und dann immer stärker werdenden Verbindung zwischen Großvater und Enkelin. Besonders für erwachsene Leser – und diese wird es bei diesem Buch bestimmt geben – ist hier ein hoffnungsvoller und überzeugender Ansatz auszumachen.
Geschrieben ist der Roman mit einer großen Portion Humor, der es unmöglich macht, die Protagonistin nicht sogleich ins Herz zu schließen. Dabei ist sie keine eigentliche Heldin. Sie ist ein Mädchen mit Hoffnungen und Träumen, dessen Stellung in der Gesellschaft von Kleingeist und Traditionen überschattet wird. Calpurnia ist ein Beispiel für die Fesseln, die den jungen Frauen noch im 20. Jahrhundert auferlegt waren.
Obwohl der Verlag das Zielpublikum mit 12 bis 15 Jahren angibt, ist es von seiner ganzen Konzeption her eher ein Buch für eine Leserschaft ab 10 Jahren. Teenager könnten sich schnell mal an der kindlich-flapsigen aber dennoch ungeheuren Naivität des Mädchens stören. Zudem fehlt der Geschichte ein eigentlicher roter Faden. Und hier setzt auch die Kritik an: Die Autorin reiht viele liebenswürdige, witzige, manchmal auch traurig stimmende Szenen aneinander und verknüpft sie zu einer mehr oder weniger stimmigen Geschichte. Aber eine eigentliche Handlung, ein Spannungsbogen oder eine andere Form von überzeugenden Elementen sucht man vergebens. Jacqueline Kelly erzählt eine Geschichte, von der sie wohl selber nicht so richtig weiß, wohin die Reise gehen wird. Und sie erzählt sie gleichermaßen überzeugend wie überraschend erfrischend.
Im Verlaufe des Romans wird der fehlende Handlungsstrang etwas ermüdend. Das spricht denn wieder dagegen, das Buch allzu jungen Leserinnen und Lesern in die Hand zu drücken. Fragen tauchen auf, die zunächst unbeantwortet bleiben, die Charaktere lassen teilweise zu viele Lücken offen und verlieren bis zum Schluss ziemlich stark an Tempo. Man mag sich unvermittelt an die großen, vornehmlich lieblichen Filmserien über Familienbande vor Augen führen, die in den 80er Jahren ganze Familien vor den Fernseher lockten.
FAZIT
Calpurnias (r)evolutionäre Entdeckungen ist ein liebenswertes und erfrischend anderes Jugendbuch, das aber den hohen Anspruch, den der Einstieg weckt, nicht einhalten kann und bis zum Schluss merklich abflacht. Es fehlt der Geschichte etwas an Handlung, was von den Lesern verlangt, sich ganz auf die Anreihung von netten Szenen zu konzentrieren.
Die Welt unter den zwei Monden droht in einem Bürgerkrieg unterzugehen
Was verbindet eine kanadische Wildparkrangerin, einen Tuareg, eine Japanische Schneiderin und einen Norddeutschen Krabbenfischer miteinander?
Richtig, eigentlich nichts. Und doch werden eben jene vier in ein Abenteuer verwickelt, das phantastischer kaum sein könnte.
Alle vier werden mitten aus Naturkatastrophen heraus in eine andere Welt entführt. Während um sie herum Vulkane ausbrechen, Erdbeben die Erde aufreißen, Springfluten und Sandstürme toben, wachen sie gesund und munter in Dhaleth auf. Es gilt eine Queste zu bestehen und die vier verfeindeten Völker Dhaleths davon abzuhalten, einander an die Gurgel zu gehen.
Das Gleichgewicht der Welt unter den zwei Monden ist davon abhängig, dass alle vier Völker zusammenarbeiten. Seitdem aber aus dem Kreis aus Feueropal, Aquamarin, Bergkristall und Topas, der als Symbol der Union der Völker dient, die Scheibe aus Feueropal entwendet wurde, droht Krieg. Ein Konflikt, der auch die mit Dhaleth verbundene Erde mit in den Untergang reißen würde.
Der Große Rat von Dhaleth hat nach Hilfe Ausschau gehalten und sie auf der Erde gefunden. Unsere vier Abenteurer sollen, unbelastet von Vorurteilen oder Bevorzugung eines der Völker den verschwundenen Opal suchen und helfen, den Frieden zu sichern – eine fast unmöglich scheinende Aufgabe, herrscht doch Misstrauen und Feindschaft allenthalben ...
Viel Bekanntes lässt ein wenig die Eigenständigkeit vermissen
Die mir bislang unbekannte deutschsprachige Autorin Priska Lo Cascio legt mit vorliegenden Roman den Auftakt einer High-Fantasy-Trilogie vor, der mich von ihrer Anlage her ein wenig an die Daresh Romane von Katja Brandis erinnert.
Hier wie dort finden wir miteinander verfeindete Völker, die um zu überleben, gezwungen sind zusammenzuarbeiten. Die Parallelen sind von der Grundanlage her unübersehbar. Inhaltlich geht die Autorin dann aber eigene Wege.
Das Volk der Lüfte, das Volk des Wassers, das Erdvolk und nicht zuletzt das Feuervolk sind sich dabei spinnefeind. Misstrauen herrscht überall, Anfeindungen und das Verbot der Völker untereinander zu heiraten sorgen dafür, dass die Feindschaft eher zu- als abnimmt.
In diese Situation platziert Cascio ihre vier Helden. Dass diese, obwohl sie aus ganz unterschiedlichen Kulturkreisen kommen keinerlei Schwierigkeiten haben sich untereinander, wie auch mit den Dhalethianern zu verständigen, mag man als künstlerische Freiheit durchgehen lassen, dass sie uns den Schuldigen gleich zu Beginn offenbart und so viel und unnötig Spannung aus dem Plot nimmt, ist bedauerlich.
So bleibt die Faszination und Spannung etwas auf der Strecke, was sehr schade ist, gelingt es der Autorin doch immer wieder, insbesondere bei der Beschreibung der unterschiedlichen Handlungsorten und Völker aufzuzeigen, welches Potential eigentlich in der Handlung gelegen hätte.
Sicherlich nutzt Cascio den Plot dazu, Werte wie gegenseitigen Respekt und Toleranz hochzuhalten sowie den Grundgedanken, dass nur eine einvernehmliche Gesellschaft wirklich stark ist, zu propagieren: allein, der erfahrene Fantasy-Leser weiß viel zu früh, wohin die Reise gehen wird. Wirkliche Überraschungsmomente bleiben leider Mangelware, die Handlung versandet in altbekannte Schemata.
Fazit
So bleibt als Fazit ein zwiespältiges Gefühl zurück. Potential war und ist da, allein die Umsetzung blieb zu sehr dem Gewohnten verhaftet und ließ Überraschungsmomente vermissen.
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