Man weiß es nicht so genau
Alma ist 15 und nicht besonders beliebt. Heimlich ist sie in Artur verliebt, erlebt intensiven Sex mit ihm- aber nur in ihrer Fantasie. In ihrer Realität spielt sich nichts dergleichen ab, nicht mit Artur und auch sonst mit niemandem. Auch wenn sie sich noch so sehr danach sehnt. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sie überall herumerzählt, dass Artur ihr seinen "Schwanz" gezeigt hat...
"Er hat mich mit seinem Schwanz gepikt" wiederholt Alma wieder und wieder. Zunächst mag niemand darauf reagieren. Bis sich die Sebjörn-Mädchen über sie lustig machen und Artur alles lachend abstreitet. Jetzt gilt Alma als restlos durchgeknallt.
Man weiß es nicht so genau
Die Geschichte geht zunächst einmal ziemlich undurchsichtig und – man kann es kaum anders sagen – schlüpfrig weiter. Was wirklich geschehen ist, also eine Antwort auf die große Frage, was sich tatsächlich vor dem Jugendzentrum abgespielt hat, wird bis ganz zum Schluss vorenthalten. Was ist mit Alma los, dass sie über den vermeintlichen Übergriff so albern redet? Ist es Unreife oder Unsicherheit?
Almas Wechsel von ihren sexuellen Tagträumen und dem damit einhergehenden Drang überall und mit allem, das irgendwie geeignet scheint, zu masturbieren, wechseln sich ab mit traurigen Momenten der Realität. Sie zeichnen ein sehr einsames Bild aus dem Leben der 15-jährigen. Sprachlosigkeit und Rückzug vergrößern die Distanz zu ihrer Mutter, die ratlos dem Verhalten ihrer Tochter gegenüber steht. Sie kann nicht nachvollziehen, was in ihrer Tochter vorgeht, erhält auch keine Antworten. In ihrer Ausgrenzung taucht Alma immer weiter in ihre Tagträume ab - und Artur, der glaubhaft abstreitet, dass eine solche Begebenheit je stattgefunden hat, lässt auch die Leser vermuten, dass es sich hierbei wieder um einen von Almas Tagträumen handelt. Nur, dass sie diesen nun in die Realität getragen hat - um was? Um Aufmerksamkeit zu erlangen? Ist es ein Hilferuf? Der Versuch, Artur für sich zu interessieren? Man weiß es nicht so genau.
Der Roman von Olaug Nilssen mit dem englischen Titel "Turn me on, Goddammit" wurde bereits verfilmt und hat als Komödie ganz gute Kritiken bekommen. Das kann ich jedoch bei dem vorliegenden Taschenbuch nicht finden; weder den komödiantischen Teil, der mit einem Zitat auf der Rückseite („Meisterhaftes Einfühlungsvermögen und großartiger Humor") versprochen wird, noch eine in sich schlüssige Story. Es erinnert mit seinen intimen Einblicken an Charlotte Roches Feuchtgebiete - nur in der Version für Jugendliche.
Eine große Portion Neugier wird junge Leser/innen sicherlich reizen, das dünne, nur 80 Seiten starke Büchlein in einem Rutsch durchzulesen. Doch anders als vom Verlag empfohlen, würde ich es nicht schon Leser/innen ab 14 empfehlen. Es bleiben zu viele ungeklärte Begebenheiten, werden Fantasie und Realität nicht eindeutig getrennt, fehlt der Geschichte einfach der rote Faden, eine irgendwie geartete Botschaft. Höchstens vielleicht doch die: Es ist nicht einfach, durch die Pubertät zu gehen. Ob aber alle Betroffenen so von ihrem Trieb beherrscht werden, das sei mal dahin gestellt. Ich glaube eher nicht.
Zumindest zeigt Autorin Olaug Nilssen auf unverkrampfte Weise, dass nicht nur Jungs in diesem Alter einen starken sexuellen Drang verspüren. Auch Mädchen können und dürfen sexuell aktiv sein, können fordernd sein und von ihren Trieben ganz vereinnahmt werden. Doch irgendwie geht auch das nicht so auf, dass ein wirklich unverkrampfter und lustvoller Umgang mit diesen starken Empfindungen dargestellt wird. Die Protagonistin wirkt eher verzweifelt und schockiert ihre Mutter mit horrenden Sex-Hotline-Rechnungen und dem Diebstahl von Pornoheften.
Alma fordert nicht, bleibt in der Isolation, in der Sprachlosigkeit. Bleibt gefangen in dem Sog von sexuellem Verlangen und ihrer Unerfahrenheit.
FAZIT
Schnell sind die 80 Seiten gelesen, halten die Neugier durch die vielen intimen Einblicke aufrecht, lassen den Leser aber mit vielen Fragezeichen und dem Eindruck einer nicht abgeschlossenen Geschichte zurück. Das macht das Büchlein, die Doppeldeutigkeit sei hier erlaubt, irgendwie unbefriedigend.
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