Ein bisschen wie Unendlichkeit

  • Fischer
  • Erschienen: Januar 2017
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  • Fischer, 2016, Titel: 'The Square Root of Summer', Originalausgabe
Ein bisschen wie Unendlichkeit
Ein bisschen wie Unendlichkeit
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Melanie Reichert
9101

Jugendbuch-Couch Rezension vonMai 2017

Die Liebe. Die Trauer. Beide sind ein bisschen wie Unendlichkeit.

Gottie ist nur noch ein Schuljahr von ihrem Abschluss entfernt und die lang ersehnten Sommerferien stehen vor der Tür. Sie möchte eigentlich nur in Ruhe über ihre Hausarbeit und das Raum-Zeit-Gefüge nachdenken, denn der Spezialauftrag ihrer Lehrerin könnte ein Empfehlungsschreiben für angesehene Universitäten parat halten.
Doch dann kommt alles anders als gedacht. Denn plötzlich steht ihr bester Freund und heimlicher Schwarm aus ihrer Jugend vor ihr, der vor fünf Jahren aus ihrem Leben verschwand. Noch dazu suchen sie mysteriöse Flashbacks heim, die sie in der Zeit um ein Jahr zurückwerfen. Zu jenem Zeitpunkt, den sie eigentlich aus ihrem Gedächtnis streichen wollte - dem Tod ihres geliebten Großvaters. Wird sie langsam verrückt? Oder ist es doch möglich, die Vergangenheit zu ändern? Ein bisschen wie Unendlichkeit ist ein romantischer, einfühlsamer und auch aufwühlender Roman über das Leben und seine Wendungen, die einen manchmal überraschend treffen können.

Schon allein die Aufteilung des Buchs ist etwas Besonderes, das man hervorheben muss. So sind die Kapitel mit dem jeweiligen Datum überschrieben und darunter ist vermerkt, wie viele Tage seit dem Tod von Gotties Großvater vergangen sind. Da dieses Ereignis der Dreh- und Wendepunkt der Geschichte ist, finde ich das eine wirklich schöne Idee. Generell wird uns die Story direkt aus Sicht der Protagonistin erzählt, was meiner Meinung nach auch die einzige sinnvolle Perspektive ist, da man so direkt an Gotties Gefühlswelt teilhaben kann. Die Flashbacks sind zusätzlich noch in kursiver Schrift verfasst, sodass man als Leser sofort sieht, wann man in die Vergangenheit reisen darf.

Gottie ist so eine Person, die einem von Anfang an sympathisch erscheint. Sie hat mich sofort für sich eingenommen und ich konnte im Verlauf der Geschichte mit ihr leiden, lachen und an ihrem Schicksal teilhaben. Sie macht auch eine extreme Wandlung durch, die man als Leser hautnah mitbekommt. Gottie nimmt dich an der Hand und lädt dich ein, eine Reise durch ihre Vergangenheit mit ihr zu erleben. Dabei ist sie zu jedem Zeitpunkt authentisch, denn sie macht Fehler, ist manchmal auch niedergeschlagen und in jede Richtung emotional - freudig, traurig, wütend, neugierig und frech.

Auch bei den Nebencharakteren hat die Autorin einen mehr als guten Job gemacht, denn viele von ihnen sind so real, dass sie vor dem inneren Auge des Lesers erwachen, selbst wenn sie gar nicht mehr leben und somit nur in den Erinnerungen der Personen existieren und beschrieben werden. Gotties Großvater ist so ein Charakter, der zwar auch ein bisschen verrückt ist, aber so liebevoll dargestellt wird, dass man ihn einfach mögen muss.

Die Geschichte selbst beschränkt sich auf sehr wenige Handlungsorte, die aber dafür umso detailgetreuer beschrieben wurden. So haben wir auf der einen Seite das Haus von Gottie, das gleichzeitig auch eine Art Festung für sie ist und deswegen eine zentrale Rolle spielt. Auf der anderen Seite ist da der Bücherladen der Familie, den man als Leser sofort heimelig findet und am liebsten selbst dort verweilen würde. Bei ihren Beschreibungen schafft es die Autorin, ein konkretes Bild zu erzeugen und doch Platz für die eigene Fantasie zu lassen, was ich sehr gelungen finde.

Die Spannung war durchgängig vorhanden, wobei sie in der Mitte minimal eingebrochen ist. Man fiebert mit der Protagonistin mit und bereitet sich im Verlauf der Story auf den Höhepunkt vor, der dann mit einer emotionalen Auflösung punkten kann. Auch die Flashbacks heizen die Spannung zusätzlich an, weil so Stück für Stück eine Erklärung geliefert wird, was in Gotties Vergangenheit passiert ist.

Ich würde hier eine Altersempfehlung von 16 Jahren aussprechen, weil das Buch zwischendurch immer wieder stark auf die Physik bzw. das Raum-Zeit-Geflecht eingeht. Hier war selbst ich manchmal überfordert, weil ich kein Physikgenie bin. Vom Verlag wird ein Alter von 14 Jahren empfohlen, was ich so generell auch unterstützen kann, weil es hier um die erste Liebe und die Trauer um einen geliebten Menschen geht.

Fazit

Eine mehr als emotionale Story, die mir am Ende einen wahren Tränenregen beschert hat, authentische Charaktere, die man ins Herz schließen kann und die fortwährende Frage: Wie sehr leben wir eigentlich in der Vergangenheit?

Ein bisschen wie Unendlichkeit

Harriet Reuter Hapgood, Fischer

Ein bisschen wie Unendlichkeit

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