Die unheimlichen Fälle des Lucius Adler - Angriff der Automatenmenschen
- Thienemann
- Erschienen: Januar 2017
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Liv ärgert sich über Mum. Nicht nur, dass sie sie vor den Mädchen der Schule blamiert, weil sie im letzten Moment in das Geschäft stürmt und verhindert, dass Liv Ohrlöcher stechen lassen kann, sie hat auch plötzlich so seltsame Ideen, dass sie ihr zeigen muss, wie man Bolognese-Sauce kocht oder mit ihr den ersten BH kaufen will. Dabei ist Liv mit ihren zwölf Jahren doch noch gar nicht so weit, einen BH tragen zu müssen.
Überhaupt ist die Mutter in der letzten Zeit so seltsam. Als Mutter dann erlaubt, dass Liv sich Ohrlöcher stechen lassen kann, weiß das Mädchen definitiv, dass etwas nicht stimmt. Trotzdem trifft es sie tief, als sie erfährt, dass ihre Mutter schwer krank ist. Hat sich Liv eben noch darüber geärgert, für ihren großen Bruder, der an Asperger leidet, stark sein zu müssen, wird ihr jetzt noch eine ganz andere Art von Stärke abverlangt. Das Mädchen, das an der Grenze zum Teenager steht, muss sich mit Themen wie Krankheit und Verlust auseinandersetzen.
Ernste Themen in eine Geschichte voller Leichtigkeit
Es gelingt der Autorin Rebecca Westcott, ein paar ernste Themen in eine Geschichte voller Leichtigkeit zu packen. Dabei verlieren die Themenbereiche zwar nicht ihre grundsätzliche Tragweite, sie werden jedoch einfacher zu begreifen und dem anvisierten Publikum der 10- bis 13-Jährigen auf eine gut verkraftbare Art nähergebracht.
Sehr umsichtig spricht Rebecca Westcott den Bereich Krankheit, Verlust und Tod an, etwas direkter wird es, wenn es um die Auswirkungen von Asperger auf das Zusammenleben innerhalb der Familie geht. Die zwölfjährige Liv trägt etwa eine große Verantwortung auf ihren Schultern, wenn sie ihren um drei Jahre älteren Bruder mit zum Einkaufen nehmen muss. Feinfühlig beschreibt die Autorin eine Szene, in der sich Liv einer heftigen Reaktion ihres Bruders stellen muss und gleichzeitig versucht, die Wogen nach außen zu glätten. Schön ist dabei, dass Rebecca Westcott ihre Protagonistin in diesem Moment nicht übermenschlich reagieren lässt, sondern genauso, wie es eine verhältnismäßig reife Zwölfjährige tun würde. Auch die Eltern sind sich der Situation durchaus bewusst und reagieren angemessen auf den Zwischenfall.
Zurückhaltung bei der Charakterzeichnung
Genau diese Zurückhaltung bei der Charakterzeichnung ihrer Figuren macht die Stärke des Romans aus. Rebecca Westcott lässt damit ihrem Publikum die Möglichkeit, in die Rolle von Liv zu schlüpfen und ihre Ängste, Hoffnungen und Freuden mitzuerleben. Liv ist ein Mädchen, das nicht nur dem zugewiesenen Alter angepasst ist, sondern auch eine gute Portion von behütetem Optimismus versprüht. Damit wird der tragischen Ausrichtung des Romans eindeutig die Spitze gebrochen. Die Leserinnen und Leser kommen sehr nahe an den Schmerz und die Verzweiflung des Mädchens heran, erleben mit ihr alle Stadien des Bewältigens. Dass Rebecca Westcott dabei eine sehr angenehme Sprache pflegt, die dem jugendlichen Alter des Publikums angemessen ist, ist ein weiterer Pluspunkt. Eine Sprache im Übrigen, die durchaus auch älteren Leserinnen und Lesern angenehm ist.
Fazit
«Pusteblumentage» ist ein bezaubernder Roman, der aus der Sicht der zwölfjährigen Liv schwere Schicksale schildert, ohne die positive Grundstimmung zu verlieren. Es ist eine gute Möglichkeit, ein sehr junges Publikum an die Themenbereiche Verlust und Tod, aber auch Asperger oder Mobbing in der Schule heran zu führen. Ein wirklich gelungenes Leseerlebnis, das nicht nur dem angestrebten Zielpublikum gerecht wird, sondern auch weitaus ältere Leserinnen und Leser anspricht.
Die zweite Generation zeigt, was sie drauf hat
Eigentlich wollten Lucius Adler, Sherlock Holmes und Dr. Watson nur gemütlich einen Theaterabend miteinander verbringen, da wird der Meisterdetektiv zum Tatort eines Verbrechens gerufen. Bei Lord Archibald wurde eingebrochen, seine kostbare Waffensammlung, sein ganzer Stolz, von Vandalen zerstört. Noch in der Pause des Theaterstücks eilen die Detektive an den Ort des Geschehens. Natürlich deduktiert Sherlock sogleich den Täter - der Gärtner war's. Am nächsten Morgen verhaftet Scotland Yard den alten Mann und inhaftiert ihn.
Allerdings wissen unsere Agenten der Krone, das sind neben Lucius Harold, der Sohn des Erfinders und Automatenbauers, Sebastian der Sohn des Entdeckers Quatermain und Theo, die lange in Indien gelebt hat und einen Sinn für das Übernatürliche entwickelt hat, dass der Verdächtige unschuldig ist. Auch wenn der geniale Holmes das Gegenteil behauptet, sie wissen es besser.
So machen sie sich auf, die Unschuld des Gärtners zu beweisen - und stoßen nur zu bald auf Automatenmenschen, deren Programmierung offensichtlich manipuliert wurde. Wer aber steckt hinter den Vorgängen und was will der Unbekannte erreichen?
Verfolgt von einem rasenden Reporter macht sich unser Quartett einmal mehr daran, Licht ins Dunkel zu bringen..
Ein wenig vorhersehbar, aber gleichzeitig spannend und mitreißend
Einmal mehr entführen die beiden versierten Jugendbuchautoren ihre Leser in ein etwas anderes London, als wir es kennen. Zwar ist uns die Viktorianische Ära per se nicht wirklich bekannt, doch Maschinenmänner, die für einfache Aufgaben eingesetzt werden, Luftschiffe, die durch den Himmel fahren und aberwitzige Erfindungen - das ist selbst für geschichtskundige Leser eine Überraschung.
In diese ein wenig an klassische Holmes-Kriminalfälle und Steampunk-Romane angelehnte Umgebung haben die beiden Autoren wiederum eine sehr spannende Handlung angesiedelt.
Dabei bauen sie, wie schon in den ersten beiden Bänden, auf die literarischen Vorlagen - Holmes und Doktor Watson sind wohl jedem Leser ein Begriff. Alan Quatermain, seines Zeichens Haggard´scher Großwildjäger und Abenteurer im Afrikanischen Busch, dürfte jedoch gerade bei jüngeren Rezipienten eher unbekannt sein.
Allerdings nutzen die Autoren nicht die bekannten Figuren, sondern deren Kinder als Protagonisten.
Über und mit diesen macht sich der Leser auf ins spannend aufgezogene Abenteuer.
Dass der erfahrene Leser so manche Überraschung und Aufdeckung vorwegahnen kann, sei erwähnt, ist aber nicht weiter schlimm. Gerne verfolgt man mit, wie unsere jungen Detektive versuchen, die Rätsel um die Vorkommnisse zu lösen, falsche Verdächtigte zu entlasten und die wahrhaft Schuldigen zu finden.
Die Mischung unserer Spürnasen bietet für jeden Lesertyp eine passende Identifikationsfigur an. Sei es der ruhige Tüftler, der Draufgänger, die emanzipierte Exotin oder unseren etwas gehemmten Erzähler: Sie alle ergänzen sich mit ihren verschiedenen Begabungen und zeigen, dass die Summe immer weit mehr als ihre Einzelteile darstellt.
Zusammenarbeit, Vertrauen und Verlässlichkeit - drei Voraussetzungen um Erfolg zu haben - so wird es den Lesern und Leserinnen vermittelt.
Fazit
Auch im dritten Abenteuer kommt die Spannung um die Auflösung des Rätsels nicht zu kurz, unterhält der Roman altersgerecht ohne große Gewaltschilderungen und zeigt uns eine Welt, die den Leser schnell für sich vereinnahmt.
Bernd Perplies, Christian Humberg, Thienemann
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