Die Autorin Micol Ostow schafft es hervorragend, den Ton der TV-Serie zu treffen
Small Town Secrets
#diestadtmitpep
Die Stadt, die „scheinbar“ schläft…
Eine Tatsache scheint die idyllischen und vermeintlich heilen, mit ihren hübschen, gut gepflegten Vorgärten versehenen Kleinstadt-Welten zu vereinen: Unter ihren Böden brodelt es gewaltig.
Nicht nur Horror-Romane und -Filme beginnen häufig mit der friedvollen Atmosphäre eines verschlafenen Städtchens, nur um den Höllenschlund noch gewaltiger aussehen zu lassen, der sich plötzlich und unangekündigt auftut… immer dann, wenn man es am wenigsten erwartet und sich in Sicherheit glaubt. Abseits von axt- und messerschwingenden Maskenträgern können es auch weit bodenständigere Abgründe sein, die die makellosen Fassaden sichtbar bröckeln lassen. Könnten sie hinter die heile (Schein)welt blicken, hätten die „Gilmore Girls“ schon längst ihre Koffer gepackt. Höchstwahrscheinlich nicht, ohne dies dialogreich zu kommentieren, aber… sie hätten sich definitiv aus dem Staub gemacht. Gut, die Jungs aus „Stranger Things“ würden sich bei den irdischen Problemen wohl nur ein müdes Lächeln abringen, aber sonst dürfte jeder einen großen Bogen um DIE Stadt machen, deren Slogan sich wie ein schlechter Witz anhört, wenn man deren Geschichte kennt: Willkommen in RIVERDALE… der Stadt mit PEP!
Ansichtssache
Die Autorin Micol Ostow widmet sich mit Riverdale – Der Tag davor der *Überraschung!* Vorgeschichte der beliebten Netflix-Serie. Kenner der Serie erfahren hier, was die Charaktere getrieben haben, bevor sie erneut – oder im Fall von Veronica Lodge erstmalig – in der namensgebenden Kleinstadt aufeinandertreffen. „Riverdale“-Neulinge bekommen hingegen mit dem Roman schon mal einen Vorgeschmack auf ihre zukünftigen TV-Lieblinge. Allerdings sei gesagt, dass man ohne Vorkenntnisse an der einen oder anderen Stelle fragend aus der Wäsche gucken wird, da vor allem die auftauchenden Nebencharaktere nur wenig Platz zur Entfaltung bekommen.
Aus persönlicher Sicht würde ich sagen, dass man mit dem Buch am besten fährt, wenn man es nach der ersten Staffel der Serie liest. Dann sind die TV-Eindrücke noch frisch und die Charaktere sind noch nah am Roman. Im weiteren Verlauf werden die Fernseh-Pendants nämlich Veränderungen durchmachen, die einem die Haare zu Berge stehenlassen und dank der scheinbar größenwahnsinnigen Autoren nur noch wenig mit ihren Ursprüngen gemeinsam haben.
Inhaltlich wird Riverdale – Der Tag davor abwechselnd aus der Sicht der vier Hauptprotagonisten erzählt: Archie Andrews, Betty Cooper, Jughead Jones und Veronica Lodge.
Sie alle berichten von ihren Erlebnissen am 3. Juli, der für jeden von ihnen Überraschungen bereithält… und nahtlos in die erste Folge der Netflix-Serie übergeht. Räumlich voneinander getrennt, sind ihre Schicksale doch miteinander verbunden. Und das, obwohl Veronica bisher nicht einen Fuß in ihre zukünftige Heimat gesetzt hat.
Staffel 0
Die jährlichen Vorbereitungen zum 4. Juli, dem amerikanischen Nationalfeiertag, laufen auch in Riverdale auf Hochtouren… doch in diesem Jahr ist alles anders:
Betty hat die ruhige Kleinstadt gegen das vergleichsweise monströse Los Angeles eingetauscht. Während des Sommers hat sie einen Praktikumsplatz in der Redaktion des Klatsch-Portals „Hello Giggles“ bekommen. Das „Mädchen-von-nebenan“ schnuppert Großstadt-Luft und möchte ihren Traum zu Schreiben verfolgen. Aller Anfang ist allerdings schwer und so ist sie vorerst nur das „Mädchen-für-alles“, das Botengänge erledigt und dafür sorgt, dass ihre Chefin Rebecca pünktlich ihre Algensalat und Felsengarnelen auf dem Schreibtisch stehen hat. Doch die charmante Kleinstadt-Betty beweist Ellbogen und bekommt neben einem Date auch die Chance, beruflich zu glänzen. Eine Chance, die nicht jedem zu gefallen scheint, denn schon bald sieht Betty Cooper die dunkle Seite von L.A., in der sich jeder selbst der Nächste ist…
Fernab vom hektischen Treiben in L.A. geht es bei Jughead Jones – im wahrsten Sinne – weniger glamourös zu. Nachdem seine Mutter sich samt seiner Schwester Jellybean aus dem Staub machte, lebt er gemeinsam mit seinem Dad FP in einem Wohnwagen. Und genau dieser ist auch Jugs größte Sorge. Nachdem FP seine „Serpent“-Jacke an den Nagel gehängt hat und nur noch auf dem Papier zur berüchtigten Southside-Gang gehört, folgte der soziale Abstieg. Zwecks Geldmangel arbeitet er auf dem Bau. Einst Mitinhaber der Firma, war er nun nur noch angestellt… bei seinem ehemaligen Partner Fred Andrews – Archies Vater. Damit wären wir bei Jugheads nächster Baustelle: Archie. Verbrachten die beiden seit frühster Kindheit jede freie Minute miteinander, herrscht plötzlich so etwas wie Funkstille. Mit beiden Tatsachen will der eigenbrötlerische Schreiberling sich nicht zufriedengeben und geht ihnen auf den Grund…
Ebenfalls in Riverdale bereitet sich auch Archie Andrews auf die Feierlichkeiten zum 4. Juli vor. Auf Nachbarin Betty muss er allerdings dieses Jahr verzichten, da diese ja die große, weite Welt unsicher macht. Bliebe theoretisch nur sein bester Freund Jug. Es war schon ein festes Ritual, gemeinsam nach Centerville zu fahren und dort das Beste-Kumpel-Ding durchzuziehen… inklusive Feuerwerk. Doch Archie hat andere Pläne. Generell haben seine Interessen sich in jüngster Vergangenheit geändert, nicht nur, weil er während der Ferien bei seinem Dad auf der Baustelle schuftet. Das Football-Team der Riverdale-High steht nicht mehr an oberster Stelle der Prioritäten-Liste des Rotschopfs. Archie hat seine Liebe zur Musik entdeckt… und nicht nur diese. Eine verbotene Beziehung zwingt ihn, seinen Vater zu belügen und seinen besten Freund zu vernachlässigen…
Bleibt noch It-Girl Veronica Lodge, die im fernen New York ein luxuriöses Leben wie im Märchen führt. Die Tochter der millionenschweren Geschäftsleute Hermione und Hiram Lodge kann man getrost als „abgehobene Zicke“ bezeichnen, die mit vollen Händen Daddys Kohle auf den Kopf haut und in Edel-Boutiquen die schwarze American Express-Karte zum glühen bringt. Mit der Upper-Class auf Du und Du und in der „Bussi-Bussi-Oh-mein-Goooooott“-Gesellschaft hoch angesehen, dreht sich im Hause Lodge alles nur um die pompöse Party, die die Familie alljährlich zum 4. Juli schmeißt und von der auch die Klatsch-Presse regelmäßig berichtet. Doch auch am strahlendsten Himmel taucht mal ein Wölkchen auf. Im Falle der Lodge-Family entwickelt sich dieses Wölkchen allerdings zum zerstörerischen Tornado. Gerüchte, die bisher nur hinter vorgehaltener Hand die Runde machten, scheinen sich zu bewahrheiten und das strahlende Zahnpasta-Lächeln soll schon bald hängenden Mundwinkeln weichen…
Gelungene Ergänzung
#supi!
Die Autorin Micol Ostow schafft es hervorragend, den Ton der TV-Serie zu treffen. Es hilft auch ungemein, beim Lesen die vertrauten Stimmen der erzählenden Charaktere im Kopf zu hören. Die Akteure sind glaubwürdig gestaltet und es macht auch als Serien-Kenner Spaß, erneut an die Anfänge zurückzukehren.
Aufgeteilt in „Der Morgen“, „Der Nachmittag“ und „Der Abend“ schildern alle Personen ihre Erlebnisse. Diese werden natürlich klassisch mit einem spannenden Cliffhanger beendet, nach dem man am liebsten direkt zum jeweiligen Kapitel vorspringen möchte, um die Geschichte des aktuellen Erzählers weiter zu verfolgen. So entwickelt sich ein Sog, den man problemlos mit einer TV-Serie vergleichen kann, die meist ähnlichen Mustern folgt.
Einziger Kritikpunkt meinerseits wäre, dass ich mir teilweise vorkam, wie bei einer Werbe-Veranstaltung. So viele Marken, Shops und Produkte, wie hier erwähnt werden, bekommt man nicht in drei Wochen Privat-Fernsehen um die Ohren gehauen. Speziell in den Kapiteln von Bling-Bling-Veronica nahm die Dauerwerbung kein Ende mehr… aber hey, bei der nächsten High Society-Party kann ich jetzt wenigstens mit Wissen über alle angesagten Schuh-Designer glänzen! #louboutinamarsch
Fazit:
Für Fans der Netflix-Serie, von der eine vierte Staffel erst kürzlich bestätigt wurde, eine uneingeschränkte Empfehlung. Die unterschiedlichen Erzähl-Stränge sorgen für Abwechslung und Spannung. Neulingen empfehle ich zumindest die ersten Folgen der Serie zu schauen, um schon mal auf Tuchfühlung mit den Charakteren zu gehen, da ansonsten zu viele Fragen aufkommen könnten.
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