Die rasante Flucht vor einer skrupellosen Firma macht das Buch zu einem Pageturner
„Optigenio war überzeugt, dass jeder und alles käuflich sei.“
Will wurde genoptimiert hergestellt: sein Aussehen, seine Fähigkeiten, all das wurde so von seinen Eltern gewünscht. Doch er entwickelt sich nicht, wie versprochen, und so wird er reklamiert. Von da an ist er auf sich allein gestellt, muss er für sein Überleben kämpfen. Eines Tages jedoch will Optigenio den Jungen wiederfinden – und schickt einen skrupellosen Jäger auf seine Fährte.
Im täglichen Überlebenskampf um eine aussichtslose Zukunft
Was bleibt einem noch, wenn man als Jugendlicher in einer postapokalyptischen Welt lebt, mittellos, von den Eltern verstoßen, ohne Zukunft? Will ist 16 Jahre alt und ein sogenannter Rückläufer. Das sind Kinder und Jugendliche, die auf Wunsch der Eltern genoptimiert nach eigenen Wünschen hergestellt werden. Der Clou dabei ist, dass die Eltern bis zum 12. Lebensjahr das Kind reklamieren können, wenn ihnen etwas nicht ihren Vorstellungen entspricht. Offiziell kommen die Rückläufer dann in wohlbehüteten Heimen unter. In Wirklichkeit jedoch hat kaum einer eine lohnende Zukunft vor sich.
Will bleibt nichts anderes übrig, als sich als illegaler Computerspieler durchzuschlagen. Dank seiner optimierten Fähigkeiten, vor allem im schnellen Denken und der Hand-Augen-Koordination, macht er sich als Mictlan, Anführer der Jaguar-Krieger, einen Namen. Hohe Preisgelder werden gezahlt, denn die Spiele sind oft das Einzige an Freude, das außerhalb des Sektors 1 bleibt, jenem Teil Berlins, der nur den reichen Bürgern vorbehalten ist.
Hier residiert auch Optigenio, jene Firma, die das perfekte Kind garantiert. Sie ist es auch, die sich auf die Suche nach Will macht. Dabei begeht sie jedoch den Fehler, einen besonders skrupellosen Sicherheitsbeamten auf die Jagd zu schicken – denn der hat eigene Pläne mit Will. Auf seiner Flucht lernt Will schließlich Mia kennen, die von zu Hause, aus Sektor 1, abgehauen ist. Beide kommen sich unweigerlich näher. Doch diese Nähe birgt Gefahr für beide Seiten. Und schließlich ist da noch die Frage: Warum will Optigenio Will finden?
Eine wirklichkeitsnahe Welt, ein sympathischer Protagonist und ein lächerlicher Antagonist
Jaguarkrieger ist ein rasant erzählter, dystopischer Roman aus der Feder einer deutschen Autorin. Er erzählt von Machtkämpfen, Klassengesellschaften und dem täglichen Überlebenskampf. Die Atmosphäre zieht einen in seinen Bann: die Verzweiflung des täglichen Lebens, die Wehen der Nachkriegszeit, der Schatten der Reichen, in dem die weniger Privilegierten leben müssen.
In dieser Welt ist Will ständig auf der Flucht. Atemlos hetzt er von einem Ort zum anderen, hält sich nie lange irgendwo versteckt, immer in der Gefahr, entdeckt zu werden. Manchmal wirkt es gar, als sei es ihm einfach nicht vergönnt, nur einmal Luft zu holen. Das macht es zwar spannend zu lesen, doch ist das Thema um die Genoptimierung so interessant, dass eine Entzerrung auf zwei Bücher angemessener gewesen wäre.
Denn das nachkriegszeitliche Berlin ist ein düsterer Ort, während Sektor 1 das genaue Gegenteil zu sein scheint. Man erfährt aber zu wenig über den eigentlichen Hintergrund, über Optigenio und die Rückläufer. Damit hat sich die Autorin die Möglichkeit genommen, Überraschungen und Wendungen einzubauen. Das Potenzial ist auf jeden Fall da – vielleicht ja doch für ein zweites Buch?
Will an sich war ein sehr zugänglicher Protagonist – menschlich und sympathisch. Sein Antagonist jedoch war einfach nur nervtötend. Seine Entscheidungen waren unlogisch, vor allem, als er endlich mal in Aktion trat (vorher musste stets das Grab seiner Mutter besucht werden). Auch seine zunehmende Verwirrtheit und offensichtliche Geistesschwäche machte ihn nicht gefährlich unvorhersehbar, sondern einfach nur lächerlich. Dadurch hat er die Geschichte tatsächlich herabgewertet.
Fazit:
Die rasante Flucht vor einer skrupellosen Firma macht das Buch zu einem Pageturner. Verpackt in einer fesselnden Welt, hat es das Zeug zu einer unterhaltsamen Dystopie. Doch es fehlt an Tiefe und Originalität, der Antagonist überzeugt gar nicht. Dennoch eine Leseempfehlung.
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