Davor und Danach: Überleben ist nicht genug

  • Dressler
  • Erschienen: Januar 2019
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Originalausgabe erschienen 2018 unter dem Titel The Survival Game; aus dem Englischen von Birgit Salzmann; Broschur, 384 Seiten

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Julian Hübecker
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Jugendbuch-Couch Rezension vonMär 2019

Ein Mädchen kämpft sich durch Armut, Verzweiflung und politische Willkür

„Da frage ich mich: Ist ein verloren gegangener Mensch im Grunde jemand, der vergessen hat, wie man sich bedankt?“

Wieviel Menschlichkeit steckt in jedem von uns, wenn es zum Äußersten kommt? Wenn die Welt vor dem Kollaps steht? Mhairi kann diese Frage beantworten, denn sie erfährt viel Hass und Wut, obwohl sie in dem Land geboren wurde, in das sie nun zu fliehen versucht. Doch das zählt nicht. Sie ist nur eine von vielen, der es nicht erlaubt ist, auf ein besseres Leben zu hoffen.

Die Welt vor dem Abgrund – eine Zukunftsvision

Mhairi lebt in einer dystopischen Welt: Die Weltbevölkerung ist am Limit, der Klimawandel hat die Menschheit längst eingeholt und genügend Wasser ist nur noch im Norden vorhanden.

Als der ganze Mist losging und die Länder ihre Grenzen dicht machten, lebte Mhairi mit ihren Eltern für einige Jahre in Afrika. Doch nun ist sie auf der Flucht in ihre Heimat Schottland, wo ihre Großmutter noch lebt. Was sie auf ihrer Reise erlebt, schließt sie ein in ihre gedankliche Festung. Denn es ist zu viel, als dass man es ertragen könnte.

Mittlerweile ist sie ihrem Ziel schon nahe, als sie einen kleinen Jungen kennenlernt. Er ist stumm, nimmt seine Umgebung mit stoischer Gleichgültigkeit auf. Nur sein Äußeres verrät, dass er auch aus Afrika stammen muss. Eigentlich hatte sich Mhairi geschworen, keinen Menschen mehr anzunehmen und den Weg allein zu gehen. Doch der namenlose Junge bewegt etwas in ihr, weshalb sie ihm erlaubt, sie zu begleiten.

Von nun an ist sie sein Beschützer. Doch was sie nicht weiß: Auch die Grenzen innerhalb Großbritanniens sind zu, Ausländer sind nicht mehr willkommen. Wie soll sie sich und den Jungen zu ihrer Großmutter schaffen? Doch ihr bleibt keine Wahl. Immerhin winken hier Sicherheit und Geborgenheit – oder?

Blick auf einen europäischen Flüchtling

Nach eigenen Angaben war es die größte Herausforderung der Autorin, sich eine Geschichte der Zukunft auszudenken, in der man sich als Europäer mit der flüchtigen Mhairi identifizieren kann. Es ging Nicky Singer wohl darum, einmal den Blickwinkel zu ändern. In Zeiten der Flüchtlingskrise ist dies wichtig, um zu verstehen, was es heißt, auf der Flucht zu sein.

In Davor und Danach ist es der Autorin aber nicht überzeugend gelungen. Zu sehr stand eine Zukunftsvision im Vordergrund, die zwar durchaus als realistisch einzustufen ist, den Blickwinkel aber zu sehr auf Nebensächlichkeiten seitens der neuen politischen Verhältnisse lenkt. Es gab ein bis zwei dramatische Momente, wo das Augenmerk auf die Geflüchteten und deren Leid gelenkt wurde. Hier konnte man mitfühlen, wie diese Menschen als solche zweiter Klasse behandelt werden – und oftmals sogar weniger als das. Diese Momente haben den nötigen Effekt verliehen.

Schließlich konnte vor allem Mhairi nicht überzeugen. Dass sie Furchtbares erlebt hat, steht außer Frage. Doch als Gesamtbild hat sie nicht ins Setting gepasst. Vor allem ihre plötzliche Zuneigung zu dem Jungen, den sie später Mohammed nennen wird, ist nicht nachvollziehbar. Anfangs ist sie ihm gegenüber kalt und unbarmherzig, brüllt ihn bei jeder Gelegenheit an (und das wirklich oft) und schlägt ihn sogar. Dennoch duldet sie ihn und hilft ihm, wo immer es geht. Das hatte schon schizophrene Züge.

Positiv aufgefallen ist die Konsequenz der Autorin. Sie hat einen roten Faden verfolgt, der von Anfang bis Ende durchdacht war. Wenngleich das Ende Geschmackssache ist, passt es doch zur Geschichte und schließt diese sinnvoll ab.

Fazit:

Ein Mädchen kämpft sich durch Armut, Verzweiflung und politische Willkür. Kein großes Kino, aber es vermittelt eine Ahnung davon, was es heißt, auf der Flucht zu sein.

Davor und Danach: Überleben ist nicht genug

Nicky Singer, Dressler

Davor und Danach: Überleben ist nicht genug

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