Geeignet für alle „Tribute von Panem“-Fans
Gnadenlose Jagd in einer dystopischen Welt
Wer auf dem Kontinent Cainstorm lebt, fristet ein hartes Dasein. Hier wohnen die Armen, deren Leben von Gangs beherrscht wird und vom täglichen Kampf um Geld und ums Überleben. Auf Asaria hingegen leben die Reichen, die nach der perfekten Gesellschaft streben – eine Gesellschaft, der aufgrund ihrer glattgebügelten Lebensweise schnell langweilig wird und die nach Unterhaltung lechzt. Doch zum Glück gibt es den Konzern Eyevision, der die Bewohner Asarias mit einer Art YouTube versorgt. Dass die Bewohner Cainstorms unter diesem Drang nach Unterhaltung zu leiden haben, spürt vor allem Emilio. Denn er ist einer der wenigen, dem von Eyevision ein Chip implantiert wurde, mit dem er regelmäßig auf Sendung geht und die Asarianer mit seinem entbehrungsreichen Leben unterhält. Ein lukrativer Job, mit dem Emilio seine Familie ernähren kann.
Eines Tages jedoch geht etwas schief. Emilio tötet einen der Gangsterbosse der Las Culebras aus Notwehr, und das während er auf Sendung ist. Ab diesem Moment machen Las Culebras Jagd auf ihn und seine Familie. Doch nicht nur von den Gangstern geht Gefahr aus, auch die Verantwortlichen von Eyevision wittern ein lukratives Geschäft mit dem Jungen, der auf Cainstorm um das nackte Überleben kämpfen muss.
Einfach richtig spannend!
Marie Golien legt mit ihrem Debüt einen Thriller der Spitzenklasse hin. Die Handlung lässt den Leser nicht nur vor Nervosität an den Fingernägeln knabbern, sie bringt auch eine Menge Gesellschaftskritik unter. Das Leben auf Cainstorm erinnert in vielerlei Hinsicht an durch Drogenkriege und Banden dominierte Regionen dieser Welt. Und dass Marie Golien mit ihrer Geschichte den YouTube-Hype auf originelle Art kritisiert, dürfte schon nach den ersten Seiten klar sein.
Präzise gelingt es ihr, die Welt um Cainstorm zu skizzieren, ohne sich jedoch in zu vielen Details zu verlieren, die die Geschichte bremsen würden. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Thriller-Handlung, welche der Autorin ausnahmslos gelungen ist und die durch einen bösen Cliffhanger im letzten Satz des Buches zu einem fiesen Ende kommt. Weitere Bände dürften also folgen.
Wer in Marie Goliens Welt eintaucht, dürfte sehr schnell Parallelen zu anderen dystopischen Jugendbüchern feststellen. Bei den Fortsetzungen sollte also Vorsicht geboten sein, um nicht auf die vorhersehbare Dystopie-Schiene á la Panem zu wechseln, wie es das manipulative Eingreifen Eyevisions und deren Drang nach Unterhaltung um jeden Preis nahelegt. Auch der Schluss weist bereits auf den weiteren Fortgang der Geschichte hin, die sich gegen Ende bedauerlicherweise immer mehr in bekannte Gefilde vorwagt. Das wäre ob der fesselnden Idee zu Beginn des Romans sehr schade.
Warum immer diese leidlichen Liebesgeschichten?
Nach der spannenden ersten Hälfte kommt das, was kommen musste: Eine Liebesgeschichte, die rein gar nichts zur Handlung beiträgt. Offensichtlich wurde sie nur eingebaut, um einen Haken auf der Jugendbuch-Checkliste zu setzen, zumal gerade wohl kein Buch ohne Romanze auszukommen scheint. So sitzt man da und harrt der Dinge, bis der Autorin wieder einfällt, worum es eigentlich geht. Und tatsächlich: Gegen Ende tritt die allgegenwärtige Gefahr plötzlich wieder auf, obwohl man sie für das Liebes-Intermezzo einfach ignorieren konnte.
Fazit
Wäre diese unnötige Liebesgeschichte nicht, man könnte dieses Buch beinahe perfekt nennen: Es ist fesselnd, bedient sich eines originellen Settings und wird mit viel Präzision erzählt. Geeignet für alle „Tribute von Panem“-Fans und Leser, die außergewöhnliche und gesellschaftskritische Thriller mögen. Und die über das obligatorische Liebesgefasel hinwegsehen können.
Deine Meinung zu »Cainstorm Island - Der Gejagte«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!