Sich der realen Welt stellen
So hat sich Cath das College nicht vorgestellt: Ihre Zwillingsschwester Wren will nicht mit ihr in einem gemeinsamen Zimmer wohnen und Papa findet, dass es für seine beiden Töchter Zeit wird, mal auf eigenen Füßen zu stehen. Wren stürzt sich voller Freude ins Studentenleben. Cath hingegen fühlt sich verloren. Ihre Zimmergenossin Reagan scheint von der «Neuen» nicht besonders angetan und Reagans Freund Levi entpuppt sich als nerviger Dauergast. Zum Glück kann sich Cath in die Welt von «Simon Snow» zurückziehen. Sie geht ganz in der Welt der Fanfiction auf, schreibt mit Begeisterung eigene Folgen und kann sich dabei auf eine wachsende Zahl von Fans stützen. Wenn das nur auch auf das reale Leben zutreffen würde. Cath fühlt sich einsam, geht jeder Möglichkeit aus dem Weg, Anschluss zu finden. Doch Reagan durchschaut ihre Zimmergenossin und zwingt sie, Schritt für Schritt Fuß zu fassen. Außerdem ist da noch Caths Kommilitone Nick, der sie dazu bringt, im Literaturkurs Grenzen zu sprengen – und auch, welche zu überschreiten. Cath wird sich immer deutlicher bewusst, dass das Leben mehr bereithält als nur Fictiondom.
Von der Zeit des Erwachsenwerdens
Nicht nur das Loslösen aus dem Elternhaus, sondern auch von der Zwillingsschwester ist Thema des Romans von Rainbow Rowell. Sie stellt Cath und Wren in den Mittelpunkt der Geschichte. Während Wren die Sache forsch angeht und ganz bewusst Distanz zu ihrer Zwillingsschwester schafft, versucht Cath, die Geborgenheit der Kindheit zu bewahren. Hier setzt die Autorin an zwei ganz verschiedenen Stellen an. Sie zeigt auf, dass die beiden Zwillinge unterschiedliche Charaktere haben und sich entsprechend auch in eine andere Richtung bewegen. Das kommt sehr schön zum Ausdruck, so auch die unterschiedliche Art der beiden Mädchen, sich vom Elternhaus zu lösen. Allerdings scheint hier Rainbow Rowell den mahnenden Zeigefinger zu heben – während die zögerliche Cath schließlich triumphiert, erleidet Wren mit ihrer offensiven Art Schiffbruch und kehrt reumütig in den Familienkreis zurück.
Fanfiction als zentrales Thema
Durchaus spannend sind die Einblicke, die die Autorin ihrem Publikum in die Welt der Fanfiction und Fandoms gewährt. Sie zeigt die Gefahr auf, sich dadurch vom echten Leben abzukapseln, stellt aber auch klar, dass sich talentierte Schreiber im Bereich Fanfiction durchaus einen Namen machen und eine eigene Fangemeinde generieren können. Etwas zu kurz kommt jedoch der rechtliche Aspekt; angesichts des eher moralisierenden Plots im Bereich der beiden Schwestern hätte man hier ebenfalls einen deutlichen Zeigefinger erwartet. Weniger überzeugen können die kurzen Einschübe der Geschichte von «Simon Snow»: Sie sind aus dem Zusammenhang gerissen, sagen wenig aus und sind eher Ballast denn Bereicherung. Diese kurzen Sequenzen hätten ohne Verlust weggelassen werden können. Letztlich ist aber die Verknüpfung von Fanfiction und Jugendroman die Stärke von Fangirl.
Starke Schwarz-Weiß-Zeichnung
Die Autorin präsentiert ihrem Publikum zwar eine auf weite Strecken unterhaltsame Geschichte, sie vermag aber nicht vollständig zu überzeugen. Dazu ist sie zu stark in Schwarz-Weiß-Bildern behaftet. Ihre Figuren bleiben eher farblos und – im Falle der Protagonistin Cath – gar stellenweise dümmlich. Es fehlt Tempo und Gefühl, selbst bei der sich anbahnenden Liebesgeschichte kommt kaum Prickeln auf. Man hätte sich noch mehr Spannung gewünscht und eine etwas weniger zögerliche Protagonistin. Selbst der langsame Entwicklungsprozess von Cath hat wenig Potenzial. Das Loslösen von den zahlreichen Klischees und eine spritzigere Geschichte hätten Fangirl zu einem besonderen Roman machen können.
Fazit
Mit Fangirl spricht Rainbow Rowell mehrere wichtige Themen an. Eines davon ist das Loslassen der Kindheit ein anderes der Bereich Fanfiction. Leider verpasst die Autorin aber die Chance, in die Tiefe zu gehen und diese Themenbereiche ernsthaft zu beleuchten. Fangirl ist in weiten Teilen ein unterhaltsamer Roman für Jugendliche, die sich gerne mit Fanfiction auseinandersetzen. Der große Wurf ist es aber nicht.
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