Der Titel ist Programm
„You have to love Jeremy!“
Jakob hält es einfach nicht mehr zuhause aus: Sein Adoptivvater Mart liegt ihm ständig in den Ohren, wie wichtig ein guter Schulabschluss ist, und auch sonst scheint er Jakob nicht für voll zu nehmen. Daher will er verschwinden, einfach raus, am besten ein Auslandsjahr in Australien. Doch das ist Mart zu teuer. Jakobs einzige andere Möglichkeit: Die Anonymität Wiens.
Couchsurfing mal anders
Als Jugendlicher hat man es nicht leicht: Die Eltern gehen einem ständig auf die Nerven, obwohl man schon genug eigene Probleme hat, um die man sich kümmern muss. Auch Jakob kommt nicht mehr gegen die ständigen Tiraden seines Adoptivvaters an. Sein leiblicher Vater indes hat sich eine neue Familie aufgebaut und ist ein wunder Punkt, über den in der Familie kaum gesprochen wird. Daher kommt Jakob der Gedanke, ihn als Deckmantel für eine wahnwitzige Idee herzunehmen.
Während er seiner Mutter und seinem Adoptivvater mitteilt, dass er von nun an bei seinem Vater leben wird, überzeugt ihn das Konzept IYH – It’s your home, auf das er im Internet gestoßen ist. Dabei nehmen Leute für wenige Tage kostenlos Durchreisende auf. Kurzerhand legt sich Jakob ein Profil an, nennt sich Jeremy und beginnt damit ein Abenteuer, in das er nur seine Freunde einweiht. Doch es ist nicht so leicht, den Spagat zwischen Schule und seinem speziellen Roadtrip zu schaffen. Ganz davon abgesehen, dass er auch mit seinem Taschengeld haushalten muss.
Doch was passiert, wenn er nicht gleich eine neue Schlafunterkunft findet? Der nahende Winter verlangt ihm schließlich alles ab, denn ein ums andere Mal schlägt er sich die Nächte im Freien um die Ohren.
Viele spannende Ansätze
Elisabeth Etz‘ Idee, den jungen Jakob aus der Enge des Elternhauses zu befreien, ist so ungewöhnlich wie brillant. Obwohl IYH eine Erfindung der Autorin ist, ist das Konzept doch nicht neu: Couchsurfing nennt man die entspannte Art, bei Fremden zu übernachten und so Menschen aus allen Teilen der Welt kennenzulernen. Gut, Jakob ist an Wien gebunden, doch viele Leute trifft er allemal.
Und das ist wohl das Interessanteste am Couchsurfing. In Morgen ist woanders bieten Menschen von unterschiedlichem Schlag ihre Heime an und bereichern Jakob mit neuen Erfahrungen. Dadurch bestärkt, wird er immer offener gegenüber anderen und begegnet neben einem Obdachlosen auch den Flüchtlingsjungen Hamid. Diese kleine Nebenstory bringt die Geschichte nochmal auf ein aktuelles Level, dessen Potenzial jedoch ausbleibt.
… schlussendlich jedoch zu viele lose Enden
Schließlich sind es die vielen verschiedenen Menschen, die zu einem kleinen Stolperstein werden, da sie eher oberflächlich bleiben und ihre Wirkung auf Jakob eher unterschwellig ist. Da wäre etwas mehr Diversität wünschenswert gewesen, die auch für den Leser die ein oder andere Überraschung geboten hätte.
Auch Jakobs persönliches Ziel, bis zum Sommer durchzuhalten (was aus einer Wette mit einem Mitschüler entstand), war ein Fehlgriff, da die Autorin so nicht zu einem befriedigenden Abschluss für den Leser kommen konnte. Vielmehr hört die Geschichte im Januar auf, wodurch viele Fragen offen bleiben. Möglicherweise war es für Jakob selbst nicht mehr so wichtig, wohin das ganze führen wird – für den Leser leider schon.
Eine leicht verständliche Sprache
Eines muss man der Autorin jedoch zugutehalten: Ihr Schreibstil begibt sich auf eine jugendliche Ebene. Man nimmt ihr die Sicht von Jakob ohne weiteres ab – kein leichtes Unterfangen, sich in das Gefühlswirrwarr eines Jugendlichen hineinzudenken. Dadurch wird Jakob nahbarer und das Erlebte glaubwürdiger.
Fazit
Zwar bietet das Buch ein paar Schwächen, doch besticht Morgen ist woanders durch seine außergewöhnliche Idee. Der flüssige Schreibstil tut sein Übriges, um den Leser durch eine wertvolle Geschichte voller jugendlicher Selbstzweifel zu tragen, die mit viel Herz vorgebracht wird.
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