Spannend - aber ein bisschen fix ging es ja schon...
Wer gelegentlich beim gelangweilten Zappen durch die Kanäle bei dem Format „Teenager außer Kontrolle“ hängen blieb, der kann sich noch an die Geschichten erinnern: Mädchen und Jungen, die Zuhause nicht mehr klar kamen, die Schule verweigerten, nur noch bekifft oder zugedröhnt beim Frühstück aufschlugen, wurden auf eine Ranch in den USA verfrachtet. Hier sollten ihnen dann unter dem Einfluss der Natur in ihrer ganzen Härte wieder die Regeln des Zusammenlebens und die Bedeutung der Gemeinschaft vermittelt werden. In Deutschland war dieses Konzept umstritten. Es wurde aber auch schon unter dem Namen „Abenteuertherapie“ früher oft als letzter Therapieversuch eingesetzt – so ganz neu war die Idee also nicht.
Das Leben ist eine harte Schule
Die 16-jährige Wren, die hier aus der Ich-Perspektive berichtet, lernt diese Therapieform nicht gemütlich von der heimischen Couch aus, sondern hautnah kennen. Sie gehört nämlich zu den „außer Kontrolle geratenen Teenagern“; und dass das bei ihr nicht nur so eine Behauptung ist, das erfährt der Leser im Laufe der Erzählung des achtwöchigen Campaufenthalts. Besonders lebendig wird das Buch dadurch gestaltet, dass der Zuschauer nur soviel über die Geschichte der Heldin erfährt, wie diese schrittweise bereit ist, selber preiszugeben. Zu Beginn erscheint sie daher fast als harmloses Opfer, das in die Mühlen einer brutalen Maschinerie geraten ist, die sie erbarmungslos aus ihrem gewohnten Umfeld verschleppt. Erst mit Fortschreiten der Geschichte erfährt der Leser, dass diese vermeintlich harte Behandlung vielleicht doch aus einem guten Grund erfolgt.
Wandlung um 180°
Wren lernt auf ihrer Reise und im Laufe des Buches, sich selbst zu akzeptieren und zu einer starken Teamplayerin zu werden. Diese Entwicklung wird erfreulicherweise nicht mit einem dauernd erhobenen Zeigefinger geschildert, sondern durch die schrittweise Annäherung an die Anforderungen der Wüste, die sie umgibt, und die damit gewonnenen Einblicke in sich selbst. Ein kleines Manko des Buches kann hier allerdings darin gesehen werden, dass die Entwicklung aller auftretenden Teenager sehr schnell mehr als geradlinig in die neue Richtung verläuft. Ob bei Jugendlichen, die sich tatsächlich so problematisch und aggressiv verhalten haben, wie hier beschrieben wird, so eine schnelle und durchgehend positive Verhaltensänderung eintreten könnte, sollte zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden.
Ein bisschen dünn ist auch die Darstellung des Umfeldes der Mädchen in der Gruppe. Wie sich im Laufe der Geschichte zeigt, ist beispielsweise auch in der Familie der Heldin so einiges in Unordnung geraten. Hier hätte ich mir gewünscht, etwas über die Arbeit mit der Mutter oder den übrigen Familienmitgliedern zu lesen, denn ich habe mich manchmal gefragt, ob es tatsächlich allein die Schuld der Heldin ist, dass die Dinge so kamen, wie sie letztendlich kamen.
Spannend und interessant ist aber insbesondere die Entwicklung Wrens vom weinerlichen „Jammerlappen“ zur energiegeladenen „Kriegerin“. Erzählt wird diese Entwicklung durch die „Survival-Tour“ durch die Wüste, der die anfangs vollkommen untrainierte und unerfahrene Heldin ausgesetzt wird, bis sie schließlich in der letzten Prüfung allein in der Wüste zurechtkommen kann. Hier träumt sich der Leser mit in die Handlung hinein und kann sich wünschen, ebenfalls der Natur die Stirn zu bieten. Ganz praktisch ist dabei, dass er hier auch ein wenig über das Überleben in der Wildnis erfährt.
Fazit
Acht Wochen Wüste bietet eine temporeiche Erzählung, aus der ich mich kaum zu lösen vermochte. Dennoch – ob Jugendliche, die einmal ihren Weg in die Drogenszene eingeschlagen haben oder sogar selbst schon erste Drogenerfahrungen gemacht haben, so leicht wieder auf den rechten Weg zurückgebracht werden können, das sei dahingestellt. Gewünscht hätte ich mir zudem, ein wenig mehr darüber zu erfahren, wie die Reise der Heldin in ihrem alten Umfeld weiter geht. Aber auch wenn dieser Roman möglicherweise vielleicht eher ein Märchen ist, dann in jedem Fall eines, das sich spannend liest.
Wendelin van Draanen, Magellan
Deine Meinung zu »Acht Wochen Wüste«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!