Dann steht sie eben auf Frauen – Und?
Ramona ist ein Arbeitstier. Sie ist in mehreren Jobs beschäftigt, wuppt nebenbei die Schule und beschäftigt sich dann auch noch mit den Dingen, die Kids in ihrem Alter so umtreiben: Party, Sport, Klamotten, Frisur und natürlich die Frage des richtigen Partners. Die ist in ihrem Fall aber grundsätzlich schon in eine gewisse Richtung gelenkt, denn Ramona ist lesbisch. Darüber hinaus wurde ihr mal wieder das Herz gebrochen, als sich ihre Urlaubsbekanntschaft Grace nach den Ferien auf den Heimweg machte.
Gelegentlich fragt man sich, in welcher Familiensituation insbesondere amerikanische Jugendliche aufzuwachsen scheinen. Ramona wohnt offensichtlich mit ihrer Schwester Hattie und dem alleinerziehenden Vater in einer WG. Nachdem ihr altes Heim beim Hurrikan Katrina zerstört wurde, leben sie in einem kleinen Trailer – also einem stabileren, fest installierten, größeren Wohnwagen –, Entscheidungs- oder Beratungskompetenzen scheint Papa allerdings nicht zu haben. Er sieht vielmehr tatenlos zu, wie die schwangere Hattie ihren kindsköpfigen Freund Tyler in das bereits hoffnungslos überfüllte Heim einziehen lässt, wie seine andere Tochter Ramona ihren Schulabschluss durch zu viele Nebenjobs gefährdet und dann auch das mühsam erzielte Geld nicht etwa in ihre Zukunft investiert, sondern für Anschaffungen für die Schwester einsetzt. Hier hätte einmal ein ernsthaftes Vater-Tochter-Gespräch stattfinden müssen!
Zu viel Political Correctness
Julie Murphy meint es zweifellos gut, wenn sie in den Südstaaten über eine lesbische Heldin berichtet, die sich dann als nächstes auch noch mit einem schwarzen Jungen anfreundet. Unglücklicherweise wurde dieses Buch aber nun in Europa – näherhin in Deutschland – veröffentlicht, wo die Frage der Sexualität eine freiere und auch die Hautfarbe des Partners eine nachrangigere Bedeutung führt (wünschenswert wäre natürlich, wenn hier auch das „-ere“ wegfallen könnte). Die permanente Betonung von Ramona Blues Neigung zum anderen Geschlecht und das ständige Zerreden ihrer Gefühle zu demselben wirken mit Fortschritt der Lektüre wie die ständigen Wiederholungen der Gebetsmühle. Der Leser ist fast erleichtert, als sich die Heldin dann doch irgendwann für das andere Geschlecht interessiert, weil damit die ständigen Begründungen und Erklärungen flachfallen, warum Ramona nun einmal auf Frauen steht.
Unfreiwillig komisch ist hier aber auch, dass die um extreme Political Correctness bemühte Autorin Ramonas neuen Herzbuben mehrfach nachfragen lässt, ob die Geschlechtspartnerin auch tatsächlich mit dem Akt einverstanden ist. Wie sagte einst schon Karl Lagerfeld „Manchmal hängt mir die Political Correctness zum Halse heraus“. Recht hat er.
Ein Vergleich, der in diesem Buch mehrfach fällt und der Autorin offensichtlich wichtig ist, ist der Vergleich mit Peter Pan, dem Jungen, der nicht erwachsen werden will. In Bezug auf die schulische und berufliche Weiterentwicklung mag Ramona möglicherweise diesem Punkt entsprechen. In anderen Bereichen hinkt dieser Vergleich aber gewaltig, verhält sie sich doch oft verantwortungsvoller und ernsthafter als so mancher Erwachsener in ihrer Umgebung. Immerhin löst sich die Heldin mit ihrem Faible für schrill gefärbte Haare schrittweise aus ihrer ständigen Verantwortung für ihre Familie und lernt, ihr eigenes Leben zu führen. Unglücklicherweise wird dieser Punkt stark an der – grundsätzlich nebensächlichen – Frage der Sexualität ausgemacht. Das Schlüsselerlebnis, das letztendlich zu einem Umdenken führt, geht neben diesen permanenten Themen beinahe unter.
Fazit
RamonaBlue ist ein gefälliges Buch mit einigen Längen, das zwar eine angenehme Lektüre darstellt, jedoch leider ohne besondere Höhepunkte. Wer damit zufrieden ist, dem wird es gefallen.
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