Auf der Suche nach der Wahrheit
Jacob hat erst vor Kurzem erfahren, dass nicht etwa ein asiatischer Rucksacktourist sein Erzeuger ist, sondern ein nordamerikanischer Indianer, mit dem seine Mutter verheiratet war. Eines Tages verließ sie ihren Mann mit dem vierjährigen Sohn, um sich in Deutschland eine neue Existenz aufzubauen. Für Jacob ist das ein Schock. Und er will Antworten. Deshalb macht er sich auf die Suche nach seinem Vater, der in der entlegenen Siedlung Moosonee, Kanada, leben soll.
Doch die Reise verläuft ganz anders, als Jacob sich gedacht hatte: Er findet seinen Vater in der Siedlung nicht vor und als er sich in den verschneiten Wäldern Kanadas auf die Suche macht, wird er von seinem Schneemobilfahrer in der Wildnis zurückgelassen. Jacob versucht, sich auf eigene Faust durchzuschlagen, kommt dabei aber einem Bären in die Quere. Schwer verletzt erwacht Jacob in einer abgelegenen Hütte und wird von der jungen Kimi gesund gepflegt. Nach und nach bringt Kimi dem jungen Mann das Leben in der rauen Wildnis näher. Obwohl Jacob nicht wie geplant zu seinem Vater reisen kann, beginnt er sich langsam mit dem Schicksal abzugeben. Auch zu Anak, dem Großvater Kimis, entwickelt Jacob eine innige Beziehung.
Verständnis für die Kultur der Cree
Antje Babendererde nimmt ihre Leserinnen und Leser – der Roman vermag durchaus beide Geschlechter anzusprechen – mit auf eine Reise durch die Wildnis des nördlichen Kanada. Schnell wird sichtbar, dass die Autorin mit der Geschichte das Verständnis für die Kultur der nordamerikanischen Indianer wecken will. Der Gegensatz zwischen Jacob, der im Osten von Deutschland aufwächst, und Kimi, die nach der Tradition des Volkes der Cree lebt, kommt wunderbar zum Ausdruck. Die beiden jungen Menschen näher sich einander langsam an und beginnen, die Kultur des jeweils anderen zu verstehen.
Vor allem Jacob macht eine starke Entwicklung durch: Er beginnt sich an die ersten vier Jahre seines Lebens unter den Cree zu erinnern und kommt dem Volk seines Vaters immer näher, während er gleichzeitig den Wunsch verspürt, in die ihm vertraute Welt zurückzukehren. Für Jacob ist die Reise nach Kanada auch eine Reise zu sich selbst: Viele Versionen eines Unfalls, der dazu führte, dass seine Mutter das Land verließ, musste er schon hören – doch in welcher steckt die Wahrheit?
Gelungene Mischung
Dass Antje Babendererde eine versierte Jugendbuch-Autorin ist, wird schnell offensichtlich. Sie verbindet mehrere Elemente miteinander zu einer überzeugenden Geschichte. Zum einen mischt sie eine gute Portion Abenteuer hinein, zum anderen ist es das tiefe Verständnis für ein fremdes Volk, das hier zum Ausdruck kommt. Dass auch noch etwas Liebe, ein wenig Dramatik und eine Spur Humor mitwirkt, macht Schneetänzer zu einem bemerkenswerten Jugendbuch, das nahezu ohne Schwächen daher kommt. Den einen Lesern mag es etwas zu viel Liebesgeschichte sein, andere dürften sich an den wenigen stören. Grundsätzlich stimmt aber die Mischung und macht das Buch zu einer Einladung in eine fremde Kultur.
Fazit
Schneetänzer ist ein gut konzipierter Jugendroman, der nicht nur die beabsichtigte Zielgruppe ansprechen dürfte. Bis auf einige wenige Szenen, die etwas in die Länge gezogen sind, liest sich der Roman flüssig. Einziges wirkliches Manko dürfte der Schluss darstellen, der dann doch etwas sehr weit hergeholt scheint.
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