Wann wird das Opfer zum Täter?
Nils ist das ideale Opfer: Er ist ein Außenseiter, weshalb sich kaum jemand mit ihm abgeben mag; nicht mal Sara, die Nils seit frühester Kindheit kennt und mit ihm in eine Klasse geht. Besonders die angesagteste Gruppe um Jo Bomann hat es auf Nils abgesehen. Gemeinsam mit Rasmus und Fadi lässt Jo keine Gelegenheit aus, um Nils zuzusetzen und ihn lächerlich zu machen. Die wunderschöne Mila, das einzige Mädchen der Gruppe, würdigt Nils dagegen keines Blickes. Dabei ist er hoffnungslos in sie verliebt.
Da kommt der Mathelehrer ausgerechnet auf die Idee, dass sich Mila von Nils Nachhilfe geben lassen muss, um die bevorstehende Prüfung und damit die Versetzung zu schaffen. Je intensiver die beiden zusammenarbeiten, desto mehr verändert sich etwas zwischen Nils und Mila. Als der eifersüchtige Jo erkennt, dass Mila in Nils nicht mehr eine Spottfigur sieht, verpassen er und seine Freunde Nils eine Abreibung. Als Nils daraufhin plötzlich Rasmus‘ Messer in den Händen hält, passiert es: Jo wird verletzt und Nils flüchtet.
Interessanter Aufbau
Die Geschichte um Nils Aussetzer und wie es zu der verhängnisvollen Attacke gegen Jo kommt, wird auf eine raffinierte Art und Weise erzählt. Gabi Kreslehner schlüpft dafür unter anderem in die Rolle einer Ermittlerin: Protokollartig gibt sie Vernehmungsgespräche mit Sara und Jo wieder. Dadurch kommt die Ansicht der beiden Befragten sehr unvermittelt zum Ausdruck: Sara, die ein schlechtes Gewissen hat, weil sie ihren Freund aus Kindertagen nicht gegen das Mobbing geschützt hat und die ihre Rolle als stille Zuschauerin hinterfragt; Jo, der sich als Opfer fühlt, jeden Vorwurf weit von sich weist und alles dafür tut, Nils als gewalttätigen Spinner darzustellen. Zwischendurch weicht die Autorin dann von den Protokollen ab und erzählt in klassischer Romanform weiter.
Starke Charaktere
Die Autorin hat für ihren Roman starke Figuren gezeichnet. Ob es nun der stille und gescheite Nils ist, der sich nicht durchsetzen kann, oder die hübsche Mila, die bei näherer Betrachtung mehr Herz hat, als es zunächst scheint: Die Protagonisten haben ihre Ecken und Kanten und wirken dadurch sehr lebensnah und echt. Die gesamte Konstellation könnte sich an jeder Schule so oder ähnlich ergeben.
In einer lebendigen Sprache schildert Kreslehner wunderbar, in welchen Gefühlswelten die verschiedenen Protagonisten gefangen sind und welche Vorstellungen und Wünsche zum entsprechenden Verhalten der einzelnen Personen geführt haben.
Fazit
Nils geht ist ein anschauliches Beispiel für Mobbing. Dass die Autorin nicht nur den tonangebenden Mobbern und Gemobbten näher betrachtet, sondern auch die stillen Beobachter, macht die Erzählung tiefsinnig und eignet sich nicht zuletzt für Lehrkräfte, um das Thema mit der Klasse aufzuarbeiten.
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