Milchgesicht
- Beltz & Gelberg
- Erschienen: Februar 2020
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Hardcover, 159 Seiten
ISBN: 9783407755438
Der, der etwas anders ist
Sepp heißt eigentlich Josef. Aber niemand nennt den Jungen so. Denn Sepp ist anders als die anderen. Er hat eine fahle, käsige Haut, entzündete Augen; wegen seines Aussehens wird er von seinen Eltern abgeschoben. Im frühen 20. Jahrhundert ist Anderssein ein Makel. Sepp kommt zu einer kinderlosen Tante, die den Jungen in einem kleinen österreichischen Dorf aufzieht, als wäre er ihr eigener. In der Schule wird Sepp gehänselt, als Milchgesicht beschimpft und für dumm erklärt. Obwohl man ihn zum Zeichnen verdonnert, weil er den Schulstoff nicht bewältigen würde, lernt Sepp mit den anderen Kindern. Doch nichts, was der Junge tut, kann die Grenzen, die sein Aussehen gezogen hat, niederreißen. Irgendwann erkennt Sepp, dass er zwar anders aussieht und von allen für dumm gehalten wird, in ihm aber Kräfte schlummern – die aber lebt er mit den Falschen aus.
Sich auf die Sprache einlassen
Als wolle Christian Duda die Geschichte auch von der Sprache her zu einem Erlebnis der Vorkriegsjahre machen, erzählt er das Schicksal von Sepp in einer oft altertümlich und ungewohnt erscheinenden Sprache. Es lohnt sich allerdings, sich darauf einzulassen, denn so kommt über kurz oder lang diese bedrückende Atmosphäre zum Tragen, in der sich der ausgegrenzte Sepp bewegt. Wer sich der Erzählung Dudas hingibt, kommt nahe an die menschliche Tragödie heran, die sich abspielt, und die nicht nur den Protagonisten betrifft.
Anders und abgelehnt
Der Autor erzählt von einem Jungen, der sich mit seinem Anderssein abfinden muss und dadurch in eine große Einsamkeit gedrängt wird. Die schlichten Schilderungen wirken jedoch manchmal recht zählflüssig und es braucht schon die Bereitschaft, das Ende erfahren zu wollen, um an der Geschichte dran zu bleiben. Interessant ist das von den Erwachsenen geduldete, ja teilweise geförderte Mobbing in der Schule – ein Vergleich mit den heutigen Verhältnissen drängt sich auf. Sichtbar macht Duda auch den gesellschaftlichen Druck, unter dem die Menschen im vergangenen Jahrhundert noch immer standen. Die Dorfgemeinschaft erweist sich hier nicht als tragende Gesellschaft, sondern als eine Vereinigung von Menschen, die ablehnen, was sie nicht verstehen.
Fazit
Milchgesicht ist berührend, wichtig und tiefgründig. Auch wenn der Schreibstil gewöhnungsbedürftig ist, lohnt es sich letztlich doch, sich auf den recht kurzen Roman einzulassen und in das Leben des etwas anderen Kindes einzutauchen.
Christian Duda, Beltz & Gelberg
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