Silence & Chaos: Schicksal der Helden
- Ueberreuter
- Erschienen: März 2020
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Hardcover, 416 Seiten
ISBN: 9783764170974
Eine neue Generation von Helden
Ich liebe Superhelden – sei es im Film oder als Comic, ich lese unfassbar gerne Geschichten über Heldinnen und Helden mit übernatürlichen Fähigkeiten, die gegen Superschurken kämpfen. Wenn die Geschichte dann auch noch einen Twist hat und nicht in die sehr simple Schwarz-Weiß-Gut-Böse-Dichotomie verfällt, umso besser. Deswegen war ich sehr gespannt auf das Buch Silence & Chaos - Schicksal der Helden von Mara Lang.
Die Rookie Heroes sind das Ergebnis eines Gen-Experiments, das eine neue Generation von Superheldinnen und Superhelden hervorbringen soll. Denn nachdem die außerirdischen Warriors, die über ein Jahrhundert Baine City beschützt hatten, sich selbst bekämpft und dadurch ausgelöscht hatten, ist Baine City ins Chaos gestürzt. Doch die Rookie Heroes konnten die Warriors nie ersetzen. Die Mischung aus Alien- und menschlicher DNA hat ihre Kräfte gemindert, sodass das Experiment als gescheitert galt. Als ein Terrorist namens „Rächer“ droht, Baine City endgültig auszulöschen, müssen die Rookie Heroes sich zusammenraufen und eine wichtige Frage beantworten: Was macht einen wahren Helden aus?
Wahre Helden… nicht…
Mara Lang hakt ganz viele Punkte ab, die eigentlich in eine spannende Superhelden-Geschichte gehören: Die Helden sind keine perfekten Übermenschen, sondern müssen Konflikte – sowohl eigene als auch innerhalb der Gruppe – ausfechten; der Bösewicht ist eine dunkle Bedrohung, die nicht nur die Stadt in Chaos stürzt, sondern Konflikte zwischen den Helden weiter anheizt; es gibt keine scharfe Grenze zwischen Gut und Böse.
Leider verwässert die sehr vorhersehbare und mit Klischees beladene Geschichte die eigentlich sehr gute Grundlage. Die Protagonistin Jill alias Silence ist eine der uninteressantesten Figuren im Team der Rookie Heroes. Da wäre z.B. Robyn, deren Superkraft ein Double ihrer Selbst ist, mit der sie ständig im Clinch liegt; oder Ella, die Feuer heraufbeschwören kann und Flügel hat und sich deswegen für einen von Gott auf die Erde gesandten Engel hält. Sogar Dark Chaos alias Corvin, der für den großen Teil des Romans Jills Antagonist ist, bietet mehr als Jill. Er wurde als Kind in eine spezielle Zelle verfrachtet, nachdem er für den Mord an den ehemaligen Direktor der Rookie Heroes beschuldigt wurde, und dort sechs Jahre lang in Isolationshaft gefangen gehalten wurde.
Helden wider Willen
Die sehr uninteressante Hauptfigur ist aber nur eines der Gründe, warum ich das Buch ständig beiseitegelegt und mehrmals beinahe aufgegeben hätte. Die Figuren an sich und ihre Konflikte untereinander wirken sehr oberflächlich. Für junge Erwachsene, die als Kinder psychisch und psychologisch gefoltert wurden – die Rookie Heroes wurden von klein auf dazu trainiert, Helden zu werden –, sind sie sehr erpicht darauf, mit ihrem Ziehvater wieder in den Kampf zu ziehen. Der einzige, der mehr oder weniger ein Problem damit hat, ist Morton.
Seine Fähigkeit ist, sich Klingen aller Art einverleiben zu können. Diese Prozedur ist aber schmerzhaft und die ständigen Versuche, diese Fähigkeit auszubauen, haben dazu geführt, dass er eine Klingenphobie entwickelt. Aber das ist alles gar kein Problem, denn er legt diese Phobie, die seit mindestens sechs Jahren seine ständige Begleiterin war, innerhalb einer kurzen Dialogszene ab, die maximal drei Seiten lang ist. Diese schnelle und nicht nachvollziehbare Charakterentwicklung steht für mich sinnbildlich für alle anderen, vielleicht sogar für die Entwicklung der Geschichte generell.
Aber es gibt eine Stelle, an der ich wirklich kurz davor stand, mich endgültig vom Buch abzuwenden. Es gibt eine Szene, in der Corvin Jill in ihr Bett unter sich gefangen hält und sie gegen ihren Willen küsst. Liebesgeschichten in „Young Adult“-Büchern strotzen meistens vor Konflikten, was sie sehr dynamisch machen. Auch, dass der Typ in dieser Konstellation meist etwas schroffer und direkter charakterisiert wird als die weibliche Figur, ist in solchen Geschichten sehr oft der Fall. Aber wann werden Autorinnen und Autoren sich endlich von dieser sehr schädlichen Message abwenden, dass Gewalt in einer Beziehung – egal welcher Art – normal ist? Denn diese Szene ist für mich nichts anderes als ein sexueller Übergriff, auch wenn Jill das selbst so nicht sieht.
Fazit
Silence & Chaos – Schicksal der Helden konnte mich nicht wirklich begeistern. Wäre es nur die Tatsache, dass die Geschichte nicht wirklich originell und ziemlich vorhersehbar ist, oder dass die Figuren sehr oberflächlich beschrieben und ihre Konflikte sehr schnell abgehandelt werden, würde ich das Buch womöglich etwas besser bewerten. Doch die sehr gewalttätige Beziehung zwischen Jill und Corvin hat mich dazu bewegt so niedrig zu gehen.
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