Ein gefährlicher Sommer
Die Sommerferien zu Hause verbringen? Mit der nervigen Mutter und ihrem trinkenden Freund? Da hat Juri Besseres vor. Kurz entschlossen macht er sich auf den Weg zu seinem Vater, den er seit früher Kindheit nicht mehr gesehen hat. Obwohl dieser überfordert auf seinen plötzlich auftauchenden Sohn reagiert, finden die beiden schnell Gemeinsamkeiten. Nicht nur können sie zusammen dem Modellbau frönen, Juris Vater geht auch angeln und ist handwerklich begabt.
Zudem wohnen in der Nachbarschaft der alte Kurt mit seiner Frau, die wunderbare Maultaschen machen kann, und Achim mit seiner Familie. Achim lebt auf einem Gutshof und ist Selbstversorger, von Eiern bis hin zum selbstgejagten Fleisch. Ein faszinierendes Leben, das Juri zunehmend gefällt. Wären da nicht die komischen Ansichten, die sein Vater und seine Freunde vertreten. Da werden Nummernschilder mit dem Emblem des Deutschen Reiches hergestellt oder merkwürdige Verschwörungstheorien zu Chemtrails und der „Firma Bundesrepublik“ verbreitet. Obwohl Juri die Leute für liebenswerte Spinner hält, wird er bald feststellen, dass von ihnen eine viel größere Gefahr ausgeht, als er je hätte ahnen können.
Gruselig bis einem schlecht wird
Martin Schäuble hat mit Sein Reich ein faszinierendes Werk geschaffen. Zunächst begegnen wir dem Ich-Erzähler Juri, der mit seinem unverwechselbaren Stil die Leser sofort in seinen Bann zieht. Denn hinter dem aufgeweckten Jungen steckt ein verletztes Kind, das mehr unter den Männerbekanntschaften seiner Mutter zu leiden hat, als er zugeben möchte. Verständlicherweise sehnt er sich nach einem Tapetenwechsel, der ihn von seiner Situation ablenkt. Als Juri auf seinen Vater trifft, scheint dies in der Tat geglückt. Das Buch beginnt somit als Geschichte über eine ungewöhnliche Vater-Sohn-Beziehung, in der beide erst lernen müssen, miteinander umzugehen. Nebenher freundet sich Juri mit Achims Tochter Margarete und Jule, einem Mädchen aus dem Dorf, an. Das Ganze entwickelt sich nun zu einer kleinen Liebesgeschichte, in der Juri seine ersten Erfahrungen mit Mädchen sammelt.
Gute Voraussetzungen für einen unbeschwerten Sommer. Doch das Merkwürdige, Groteske und Unbehagliche schleicht sich mehr und mehr in die Idylle ein. Juris neue Freunde machen ihn immer öfter auf das fragwürdige Verhalten seines Vaters und seiner Freunde aufmerksam und Juri selbst wird immer mehr mit deren, teilweise radikalen, Ansichten konfrontiert. Er reagiert gelassen auf die Äußerungen seines Vaters zur Lügenpresse und den Manipulationen, denen die Bevölkerung ausgesetzt sei. Juri ist klar, dass das alles Quatsch ist, doch mit seinem neu gewonnenen Vater möchte er nicht diskutieren. Und auch die anderen Sonderlinge im Dorf sind ja eigentlich ganz nett. Doch der Schein trügt.
Autor Martin Schäuble verschärft die Situation immer mehr, lässt seine Leser immer unruhiger auf dem Stuhl herumrutschen, während sie verfolgen müssen, wie sich Juri in das Verschwörungskonstrukt hineinziehen lässt und sich immer mehr in Gefahr begibt. Am Schluss droht das Ganze zu eskalieren und Juri begreift, dass Verschwörungstheorien nicht nur unterhaltsame Spinnereien sind, sondern Menschenleben gefährden können. Dass sich unser Ich-Erzähler am Ende übergeben muss, ist nur allzu verständlich.
Fazit
Sein Reich ist ein hochspannender Thriller, der sich locker in einem Rutsch durchlesen lässt und eine wichtige Botschaft vermittelt: Vorsicht bei vermeintlich lustigen Verschwörungstheorien – man weiß nie, wohin sie führen können.
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