Eine wichtige Botschaft verliert sich zwischen heißen Küssen, coolen Klamotten und kranken Katern
Der erste Schultag nach den Ferien ist für Emilia besonders wichtig, denn an diesem Tag sieht sie Noah wieder. Nicht, dass zwischen ihnen etwas wäre, aber jedes Mal, wenn sie ihn sieht, gibt ihr Herz doch ein bisschen mehr Gas als gewöhnlich. Das allertollste ist aber, dass Noah ihre Gefühle zu erwidern scheint und das könnte der Beginn einer tollen Zeit sein, wenn nicht über ihn hässliche Gerüchte im Umlauf wären. Jessica, eines der tonangebenden Mädchen in der Klasse, behauptet, Noah habe sie belästigt und schon will niemand mehr etwas mit dem Jungen zu tun haben. Nur Emilia kann diese Vorwürfe nicht glauben und will sich ein eigenes Bild machen – das aber verschafft ihr nicht nur Freunde.
Bezichtigung der sexuellen Belästigung
Kathi van Beek wendet sich in ihrer Geschichte um ihre Heldin Emilia vermeintlich einem wichtigen Thema zu: Mobbing in der Schule, das vielen Jugendlichen das Leben zur Hölle macht. Schön wäre es natürlich, wenn diesem Thema dann auch ein entsprechend breiter Rahmen eingeräumt würde. Um es allerdings kurz zu machen: Es spielt sich nur am Rande ab.
Der Leser lernt vielmehr die 16-jährige Emilia und ihre erwachsene Schwester Sofia kennen, die in den Sommermonaten nach den Ferien mitsamt Kater Figaro erst einmal auf sich selbst gestellt sind, da die Eltern auf einer großen Reise sind. Für Emilia beginnen die ersten Schulwochen mit einem Wechselbad der Gefühle, kommt sie doch endlich Noah näher, den sie schon vor den Sommerferien mehr als nur nett fand, erfährt aber auch, dass da offensichtlich etwas mit der Mitschülerin Jessica läuft.
Dieses Verhältnis ist zwar alsbald beendet, dennoch wird Noah von Jessica des übergriffigen Verhaltens bezichtigt. Hier allerdings sollte dann schon jedem klar sein, dass ein solcher Vorwurf nicht einfach nur einem schlichten Streit zwischen Jugendlichen folgt, sondern dass es hier schon um wesentlich mehr geht. Wer einem anderen vorwirft, gegen seinen Willen betatscht worden zu sein, erhebt eine sehr ernste Anklage, die – sollte sie aus der Luft gegriffen sein – strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Das aber scheint die hier agierenden Mädchen kaum zu interessieren.
Noah gilt nun als Geächteter. Eine Intervention seiner Eltern erfolgt nicht, eine ernsthafte Diskussion der Unterstellung findet nicht statt. Die schwer wiegende Behauptung verkommt zur Nebeninformation und wird damit bagatellisiert. Möglicherweise könnte das daran liegen, dass der Autorin andere Sachen wichtiger waren, denn regelmäßig wird liebevoll geschildert, wer was zu welchem Date trägt, warum welche Schuhe gewählt werden, wer wen mit welcher Augenfarbe mustert und welche Haarlänge in welcher Farbe präsentiert wird.
Das eigentliche Thema aus den Augen verloren
Die grundsätzlich interessante und gut gemeinte Geschichte verkommt daher zur kleinen Romanze zwischen Noah und Emilia, wenngleich neben ein paar heißen Küssen, nichts Besonderes stattfindet. Vermittelt wird aber noch das eigenartige Frauenbild, wo es einer ansonsten recht selbständig agierenden Heldin besonders wichtig ist, dass sie sich an einen starken männlichen Arm lehnen kann – insbesondere wenn besagter starker Arm schnell gegen Kontrahenten gewalttätig wird, wird das noch als beschützend und erstrebenswert empfunden, genauso wie die mehrfachen grundlosen Eifersuchtsattacken.
Neben diesen ganzen amourösen Verwicklungen nimmt die Thematik des Mobbens erst in den letzten Kapiteln richtig Fahrt auf. Die Ursache für diese Entwicklung hat aber auch – anders als im Klappentext geschildert – grundsätzlich nichts mit den gegen Noah erhobenen Vorwürfen zu tun, sondern richtet sich allein gegen die Heldin. Hier konnte ich allerdings geschockt lesen, wie schnell geurteilt wird und eine 16-jährige aus nichtigem Anlass blitzschnell als „Hure“ oder „Schlampe“ bezeichnet wird.
Fazit
Insgesamt hätte aus See you soon! Die Geschichte von Emilia ein spannender Roman werden können, der sich einer aktuellen, hässlichen Problematik widmet. Leider verliert sich die Autorin aber abschnittsweise in unnötigen Schilderungen, was es zum Mittagessen gibt und wie heiße Küsse zu butterweichen Knien führen. Übrig bleibt ein harmloser Roman, der möglicherweise Jugendliche, die von der ersten Romanze träumen, zu fesseln vermag, aber sicher nicht dazu geeignet ist, einen Spot auf die Mobbingproblematik zu richten.
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