Eindringlich und intensiv
„Die anderen Jungen in seiner Klasse hatten ihn von Anfang an gemobbt, weil er Jude war, und das wurde von Jahr zu Jahr schlimmer, sie hatten ihn beschimpft, ihn Saujude genannt, Loser, Opfer, Pisser, und sie hatten ihn regelmäßig geschlagen.“
Laura lebt in Erfurt – eine Stadt, die einen bedeutsamen jüdischen Schatz beherbergt. Da ihre Mutter als Historikerin arbeitet, weiß Laura sehr viel über die jüdische Geschichte. Sie nutzt ihr Wissen, um sich das fiktive Leben der Jüdin Rachel im Jahr 1349 vorzustellen, das geprägt war von Verlust, Angst und Ablehnung.
Zwei Zeitebenen, zwei Mädchen, eine Religion
Laura fasziniert das Judentum, besonders die im Hinblick darauf nicht gerade ruhmreiche Vergangenheit Deutschlands, die sehr viel weiter zurückgeht als zu den Verbrechen während der NS-Zeit. So führt der jüdische Schatz von Erfurt zurück ins Jahr 1349, als der Bankier Kalman von Wiehe aus der Not heraus sein Vermögen verstecken musste. Es war die Zeit der Beulenpest, die in Europa wütete und die christliche Bevölkerung einen Schuldigen suchen ließ - was läge da näher, als die Juden als ewige Sündenböcke zu missbrauchen.
Kalmans Geschichte beflügelt die Fantasie von Laura, weshalb sie beschließt, eine Graphic Novel zu zeichnen. In ihrem Kopf stellt sie sich vor, dass der Mann zwei Kinder, Rachel und Joschua, hat, recht wohlhabend und zufrieden im Leben ist. Doch immer mehr Gerüchte von Massakern an Juden verbreiten sich, weil sie angeblich die Brunnen vergiften und damit die Pest verbreiten würden. Daher beschließt Kalman, in aller Heimlichkeit mit seinen Kindern Richtung Krakau zu fliehen, da der dortige König Kasimir III. die Juden unter seinen Schutz stellt. Doch die Reise ist so beschwerlich wie gefährlich.
Unterstützung erhält Laura von ihrem Schulkameraden Alexej. Er ist Jude, die Familie seiner Großmutter floh vor dem Nazi-Regime nach Russland und musste ihren eigenen Familienschatz in Deutschland zurücklassen – eine erschreckende Parallelität zu Kalmans Geschichte.
Eine Geschichte mit enormer Wirkungskraft
Dunkles Gold ist eines jener Bücher mit unscheinbarem Äußeren, aber einem gewaltigen Inneren. Die 2019 verstorbene Mirjam Pressler ist bekannt für ihre Sensibilität bei der Aufarbeitung schwieriger Themen, die sie für Jugendliche nahbar macht. Dazu gehört auch die jüdische Geschichte in Deutschland, die sie hier gekonnt mit der Stimmung der Gegenwart zu verweben weiß. Besonders der geschichtlich gelagerte Aspekt um die Person Kalman von Wiehe, kombiniert mit fiktiven Elementen (so sind die beiden hier vorgestellten Kinder nicht belegt), gelingt auffallend.
Wir begleiten zum einen Laura, die sich mit moderneren Meinungen dem Judentum gegenüber konfrontiert sieht, und Rachel, die direkt betroffen ist und einzig wegen ihrer Religion um ihr Leben fürchten muss. Mirjam Pressler durchleuchtet jede Ebene deutsch-jüdischer Beziehungen, weshalb das Buch mit sehr viel Inhalt punktet, obwohl es doch eher dünn ausfällt. Darum ist es auch nicht mal eben nebenher zu lesen.
Für mich war es das erste Buch der Autorin und es ist mir unerklärlich, wie mir dieses Talent entgehen konnte (ich habe mir direkt ein Buch nachbestellt). Ihre Schreibkraft ist so eindringlich und intensiv, dass man unbedingt über das Thema weiter nachdenken muss. Schließlich gehört dieses zu jenen Büchern, die eine Sonderstellung in der Buchwelt verdienen, weil sie eine wichtige Thematik aufgreifen und allgemein verständlich umsetzen.
Fazit
Dunkles Gold ist ein sehr wichtiges Buch. Gerade der Jugend geht das Auseinandersetzen mit der Vergangenheit nicht leicht von der Hand; solche Bücher machen die Dringlichkeit sichtbar, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen, um zu verhindern, dass solch widerliche Gräueltaten sich wiederholen.
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