Wenn sich die Wut nicht unterdrücken lässt
Lexi sehnt sich nach Anerkennung. Doch die 15-Jährige scheint die Fettnäpfchen gepachtet zu haben. Was auch immer sie versucht, letztlich scheint alles falsch zu laufen. Dazu kommt, dass sie in der letzten Zeit immer mal wieder mit Wutausbrüchen zu kämpfen hat, die ihr das Leben in der Schule nicht einfacher machen. Besonders bei ihrem Stiefvater John hat Lexi längst einen schlechten Stand. Er zeigt ihr deutlich, was er von ihrem Verhalten hält – nämlich gar nichts. Und seit ihr Stiefbruder Kass nicht mehr in der Nähe ist, sondern an der Uni studiert, hat Lexi ihren wichtigsten Halt verloren. Denn in ihrer Mutter findet Lexi keine Verbündete, sie hält auf jeden Fall zu ihrem Mann. Der einzige, der Lexi zu verstehen scheint, ist der nerdige Ben, der Sohn von Meryam, der besten Freundin ihrer Mutter.
Psychologische Manipulation
Die Autorin Jenny Downham hat sich intensiv mit der Materie „kontrollierendes Verhalten“ auseinandergesetzt. Dies zeigt sich im geschickten Aufbau des Romans. Zunächst lernen die Leserinnen und Leser Lexi kennen, die sich – ganz die pubertierende Teenagerin – an allem Möglichen aufreibt, besonders aber am Umstand, dass ihre Mutter und John heiraten wollen. Die Situation scheint vertraut, es sieht zunächst nach typischen Problemen einer Patchwork-Familie aus. Doch eine Szene lässt aufhorchen: Nicht nur, dass John Lexi nicht zutraut, sich bei der Feier anständig aufzuführen, er gibt auch Lexi die Schuld an einem Eklat mit seinem Chef, der das Mädchen sexuell bedrängt hat. Je länger die Geschichte dauert, desto offensichtlicher wird, dass John nicht nur einen Keil zwischen Lexi und ihre Mutter treibt, sondern auch einen Zwang zur absoluten Kontrolle zu haben scheint. Je intensiver man sich auf die Geschichte einlässt, desto unbehaglicher wird es. Immer deutlicher tritt Lexis Not zutage.
Überzeugende Charaktere
Jenny Downham erzählt eine überzeugende Geschichte. Das vor allem auch deshalb, weil sie eine gute Hand bei der Zusammenstellung ihrer Figuren bewiesen hat. Es sind keine einfach gezeichneten Charaktere, die sich in Gut und Böse einordnen lassen, sondern vielschichtige Persönlichkeiten, die man zunächst näher kennen lernen muss, um ihre verschiedenen Facetten zu studieren und zu erkennen. Lässt man sich auf die Nähe zu den Protagonisten ein, wird man in ein dunkles Feld der psychologischen Manipulation gezogen, das eine spezielle Atmosphäre schafft.
Hilfestellung
Obwohl Lexi zum Schluss des Romans einiges besser einordnen und erkennen kann, wird deutlich, dass sie noch einen weiten Weg zu gehen hat, um aus der Situation heraus zu kommen. Die Autorin zeigt zwar diesen Weg auf, sie macht aber auch deutlich, dass es kein einfacher Weg ist. Für junge Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, hat Jenny Downham zum Schluss des Buches Adressen aufgelistet, unter denen sich die Betroffenen Hilfe holen können.
Fazit
Ich war der Lärm, ich war die Kälte ist ein vielschichtiger Jugendroman, der den Leserinnen und Lesern nicht nur tiefgründige Unterhaltung bietet, sondern auch auf ein Problem hinweist, das nach außen kaum sichtbar wird. Nach der Lektüre ihres Romans wird man nicht umhinkommen, genauer hinzusehen und Fragen zu stellen, wenn ein junger Mensch aggressiv reagiert. Damit hat die Autorin Jenny Downham viel bewirkt.
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