Nancy Drew - Der Fluch

  • cbj
  • Erschienen: August 2020
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Originalausgabe erschienen unter dem Titel Nancy Drew - The Curse; aus dem Englischen von Doris Attwood; Taschenbuch, 368 Seiten

ISBN: 9783570314319

Nancy Drew - Der Fluch
Nancy Drew - Der Fluch
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Marcel Scharrenbroich
7101

Jugendbuch-Couch Rezension vonDez 2020

Neumodisch vs. Altklug

In Buffys Heimatstädtchen Sunnydale kreuchten und fleuchten Vampire und ähnlich dämonisches Gedöns kroch wöchentlich aus allen Löchern, während die Mädels und Jungs aus Riverdale sich mit maskierten Killern und nur allzu realistischen Rollenspielen herumplagen. Im Nachbarort Greendale sind derweil die Hexen los und in Woodsboro und Haddonfield gehen in unregelmäßigen Abständen maskierte Messerschwinger um. Was ist es nur, dass die Irren immer in die Kleinstädte treibt? Man mag es vielleicht so halten, wie mit dem berühmten Slogan eines Horrorfilm-Klassikers: „Wenn in der City kein Platz mehr ist, kehren die Wahnsinnigen in die Vorstadt zurück“… oder so ähnlich.

In Horseshoe Bay (Nein, den Namen habe ich mir nicht ausgedacht… leider) ist es da nicht anders. Gerade als das alljährliche Gründerfest vor der Tür steht, häufen sich mysteriöse Vorkommnisse. Alle Einwohner sind aus dem Häuschen, denn die zweitägigen Feierlichkeiten zum Stadt-Namenstag gehören zu den Highlights des Jahres. Auch bei den Schülerinnen und Schülern der Keene High. Hier besucht Nancy Drew, Redakteurin der Schülerzeitung Masthead und Hobby-Detektivin, die Abschlussklasse. Gemeinsam mit ihren Freundinnen Lena Barrow und Daisy Dewitt, einer Nachkommin einer der Gründerfamilien, geht Nancy durch dick und dünn, wobei ihre BFFs nicht zwingend über den detektivischen Spürsinn verfügen wie sie. Damit scheint Nancy Drew ein unverbesserliches Unikat in Horseshoe Bay (Gott, dieser Name…) zu sein, das selbst Chief McGinnis, den örtlichen Arm des Gesetzes, schon mal in den Wahnsinn treiben kann. Noch sind alle bester Dinge und voller Vorfreude auf die anstehenden Feierlichkeiten und Daisys größtes Problem ist, dass sie noch nicht weiß, ob sie auf der Besetzungsliste für die geplante Schulaufführung steht. Hört sich banal an, scheint aber in Horseshoe Bay (Also ICH würde wegziehen…) eine große Nummer zu sein. Um es kurz zu machen: Alle Aufregung war umsonst und ein wichtiger Part geht an Daisy. YIPPIIIIE!!! So, genug gefreut…

Diese Freude ist nämlich nur von kurzer Dauer, denn als ein scheinbar zufällig verirrter Vogel vor die Scheibe der Masthead-Redaktion klatscht, ist es vorbei mit der guten Laune. Nicht nur, dass auf dem Weg zur Redaktionsbesprechung urplötzlich eine Lampe über Nancy und Daisy explodierte und sie im Regen spitzer Glasscherben standen, nun auch noch ein Rabe, der mit solcher Wucht vors Fenster prallt, dass sogar die Scheibe Risse zeigt. Ein Zufall? Eher nicht, denn der Rabe hatte eine Notiz im Schnabel, die ihre Finderin, Nancy, zutiefst beunruhigt:

„Hütet euch vor dem Fluch des Namenstags“

Wirkt entweder wie ein schlechter Scherz oder Jon Schnees Postwurfsendung ist auf dem Weg zu Ramsay Bolton bei Burg Grauenstein falsch abgebogen. Man weiß es nicht, bleibt aber alarmiert… schließlich sieht Daisy ihre Schulaufführung – und damit ihren großen Auftritt – schon in Luft verpuffen. Es bleibt nicht bei diesem einen Zwischenfall und schon bald merken Nancy und ihre Freundinnen, dass es jemandem mächtig ernst mit seiner Drohung ist. Aber wer könnte ein Interesse daran haben, dass das Gründungsfest abgesagt wird? Was hat es mit diesem legendären Fluch auf sich? Nancy Drew nimmt die Ermittlungen auf und stößt schon bald auf Widerstände… und die Lage spitzt sich zu, denn plötzlich gibt es die erste Vermisste.

Jung-Detektivin mit langem Lebenslauf

Im neuen Roman von Micol Ostow, die bereits die begleitenden Romane zur NETFLIX-Serie „Riverdale“ schrieb, ist Nancy Drew noch Highschool-Schülerin und strebt nach ihrem Abschuss ein Journalistik-Studium an. Tatsächlich hat die junge Dame aber schon ein paar Jährchen mehr auf dem zarten Buckel. 1930 wurde die Figur von Kinderbuch-Autor Edward Stratemeyer geschaffen und seit dieser Zeit schrieben zahlreiche Schriftsteller Geschichten um die investigative Jung-Reporterin. Allesamt schrieben sie unter dem Pseudonym Carolyn Keene. In den USA ist sie längst eine feste Größe auf dem Buch-Markt und wurde schon früh als Verkörperung weiblicher Unabhängigkeit gefeiert. Entgegen aller Klischees der damaligen Zeit konnte Nancy Drew auf sich selber aufpassen, ging unbeirrbar ihren eigenen Weg und brauchte keinen Retter in der Not, um Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Eine Identifikationsfigur für Mädchen und junge Frauen, die sage und schreibe 533 Bücher füllt. Davon allein 175 in den originalen „Nancy Drew Mystery Stories“, die 1930 starteten und bis zum Jahr 2003 weitergeführt wurden. Es folgten zahlreiche PC-Adventure-Games, interaktive Bücher, Kurzgeschichten, Crossover mit den „Hardy Boys“ (ebenfalls erschaffen von Edward Stratemeyer) und verschiedene Auftritte in Comics (beispielsweise im US-Verlag Dynamite) und Graphic Novels (Papercutz).

The Next Gäääähneration

Micol Ostow reiht sich nun in die lange Liste von Schriftstellerinnen und Schriftstellern ein, bezieht sich dabei allerdings auf die Nancy Drew der aktuellen Serie des US-Senders The CW. Die insgesamt dritte Serien-Adaption der Vorlage, nach den späten 70ern und Mitte der 90er-Jahre. Das Studio Warner Bros. sicherte sich schon sehr früh die Film-Rechte an dem Stoff und so gab es bereits ab 1938 erste filmische Gehversuche. Auch im neuen Jahrtausend waren die Macher nicht untätig und es gab Filme mit Maggie Lawson (2002; „Psych“, „Two and a Half Men“), Emma Roberts (2007; „Aquamarine“, „Unfabulous“, „Nerve“) und Sophia Lillis (2019; „ES“, „I Am Not Okay with This“). In der aktuellen Serie, deren erste Staffel mit 18 Folgen seit Ende Juli 2020 beim Streamingdienst JOYN PLUS+ zu sehen ist, schlüpft die 24-jährige Newcomerin Kennedy McMann in die kultige Rolle der Spürnase.

Mich hat die Serie zwar nach nur sechs schwachen, so dahinplätschernden Folgen wieder verloren, da dort selbst die aktuelle „Riverdale“-Handlung in Sachen Drehbuch-Irrsinn getoppt wird, was aber nichts heißen muss. Anscheinend erfreut der moderne Neustart sich so großer Beliebtheit, dass bereits einer zweiten Staffel (voraussichtlicher Start 2021) grünes Licht erteilt wurde. Mir war die aktuelle Nancy, so attraktiv sie auch ist, zu unsympathisch und besserwisserisch, als dass ich mich weiter durch die abstruse Handlung quälen wollte. Generell kam dort kein Charakter vor, der im Ansatz sympathisch war, was nicht die beste Voraussetzung dafür ist, Zuschauer länger bei der Stange zu halten. Inhaltlich im Grunde ein Klon von „Riverdale“, der sich auf eine starke, bekannte Marke stützt… und damit scheinbar durch- und ankommt.

„Nancy Drew - Der Fluch“ ist eine Vorgeschichte zur ersten Staffel, die allerdings nicht nahtlos in die Pilotfolge übergeht. Da fließt schon noch einiges an Wasser durch die Rinnsteine von Horseshoe Bay (…), bis man bei der TV-Handlung ankommt. Dabei lässt sich das Buch auch ohne Vorkenntnisse lesen, da nicht alle Charaktere zwangsläufig in der Serie auftauchen. Dort hat Nancy die Schule nämlich bereits hinter sich gelassen und jobbt in dem Diner (Nein, nicht Pop’s Chock’lit Shoppe… aber nah dran!), welches in „Der Fluch“ nur als Treffpunkt dient. Auch die familiären Verhältnisse sehen im Roman noch etwas anders aus.

Fazit

Wer die Serie im TV schaut oder dieses in absehbarer Zeit plant, wird mit der Anschaffung von „Nancy Drew - Der Fluch“ nichts falsch machen. Die Story – wenn auch etwas vorhersehbar und seicht – liest sich unglaublich flüssig und überzeugt durch einen flotten, modernen Schreibstil. Ob es die unglaubwürdige Love-Story, die sich mit einem neuen Schüler anbahnt, allerdings gebraucht hätte, steht auf einem anderen Zettel…

Nancy Drew - Der Fluch

Micol Ostow, cbj

Nancy Drew - Der Fluch

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