Immer ist ein verdammt langes Wort
- Sauerländer
- Erschienen: September 2020
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Broschur, 352 Seiten
ISBN: 9783737357432
Der Kampf um die Erinnerung
Rena ist eine junge Frau, die sich gerade so durchs Leben schlägt. Sie lebt bei ihrer Mutter, einer verstörten Frau, die von ihren Ängsten gebeutelt wird. Schon früh muss Rena lernen, sich selbst und ihre Mutter zu erhalten. Doch dann passiert der Unfall mit dem Motorrad: Mehrere Monate liegt Rena im Koma, bis sie langsam ins Leben zurückkehrt. Monate, in denen die schwache Basis, auf der das Leben von ihr und ihrer Mutter basiert, zerstört wird. Unmittelbar vor ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus muss Rena deshalb dafür sorgen, dass sie und ihre Mutter wieder eine Wohnung haben.
Schließlich findet sie eine bezahlbare, eine winzige, aber immerhin. Frustriert zieht sich Rena auf den Balkon zurück – wo ihr plötzlich ein Junge mit einem grünen und einem blauen Auge vor die Füße springt. Er bringt Renas Leben durch seine unkonventionelle Art durcheinander. Kick wird für sie eine Art Schutzengel und Vertrauter. Nur so schafft es Rena, sich in der Schule einigermaßen aufrechtzuhalten und dem feindlichen Umfeld an ihrem neuen Wohnort zu trotzen. Aber Rena muss sich auch mit den Gespenstern ihrer Vergangenheit auseinander setzen. Mehr und mehr erinnert sie sich an die verhängnisvollen Sekunden.
Zwei schwierige Themen
Die Autorin Sabine Schoder hat sich einem schwierigen Thema angenommen: Ein Unfall, der nicht nur Renas Körper aus den Fugen bringt, sondern auch ihre Seele. Sie ahnt, dass nicht alles so ist, wie sie es zu wissen glaubt – und versucht, gleichzeitig die Erinnerung zu wecken und das Wissen zu verdrängen. Hilfe findet Rena in den Schmerzmitteln, die sie immer wieder als Barriere nutzt und die für einen Moment die aufwallenden Gefühle betäuben.
Das zweite Thema, dem sich die Autorin zuwendet, sind die Panikattacken der Mutter, denen nicht nur die Betroffene selber, sondern auch die Tochter ausgesetzt ist. Diese beiden bedrückenden Welten lockert Sabine Schoder mit dem feinen Humor von Kick auf, der Rena beisteht.
Sprunghafte Erzählung
Es braucht eine ganze Weile, um mit der Protagonistin Rena warm zu werden. Die junge Frau, die kurz vor ihrem 18. Geburtstag steht, verhält sich mal wie ein Kind, mal wie eine Erwachsene. Ihre Rückblenden, ihre zeitweise Verweigerung der Welt gegenüber und ihre beißende Selbstironie gepaart mit leiser Verzweiflung machen Rena zu einem schwierigen Charakter. Als Ich-Erzählerin bleibt sie dem Publikum bis zum Schluss entfernt. Die weiteren Figuren sind sehr stark in schwarz-weiß gehalten, manche Verhaltensweisen der Erwachsenen – gerade auch jene des ungeliebten Onkels – scheinen stark überzeichnet. Erschwerend kommt die recht sprunghafte Erzählweise dazu, an die man sich erst gewöhnen muss.
Tief in die Abgründe blicken
Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund. Sie lässt tief in die Abgründe von Schuld, Schmerz, Verzweiflung, Hass und Hoffnungslosigkeit blicken. Das bedingt eine gewisse Reife der Leser, weshalb das angegebene Mindestalter nicht für jeden gelten dürfte. Auf jeden Fall verlangt dieser Roman eine intensive Auseinandersetzung mit dem Stoff, der sich auch in Gesprächen mit Fachleuten oder reiferen Persönlichkeiten diskutieren ließe.
Fazit
Immer ist ein verdammt langes Wort ist keine eigentliche Unterhaltungsliteratur. Es handelt sich hier um einen Roman, der ganz nahe an menschliche Abgründe heran geht und mit einer großen Portion Psycho-Drama gespickt ist. Wer sich darauf einlassen mag, bekommt ein intensives Werk mit einigen Überraschungen präsentiert.
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