Noch nie war Schach so spannend – und so sexy
Im Leben von Leah Baxter läuft es gerade nicht rund. Bis vor kurzem war sie ein aufstrebendes Schachgenie. Das hat sie hingeschmissen und will nie mehr, never ever again Schach spielen. Zuhause lief zuvor alles rund – jetzt nervt die Mutter nur noch rum, der Vater ist weg. Er umrundet als Astronaut die Erde – wie Leah sagt. Dazu kommt diese Wut, immer diese Wut. Leah findet ihren Weg nicht mehr und macht etwas ganz Neues: Sie heuert als Bedienung in einem Donut Laden an und will ein anderes Leben führen. Aber auch im Schach gibt es verschiedene Stilrichtungen. So kann man im New Yorker Central Park um Geld zocken und wem das nicht reicht, der kann beim Schachboxen antreten, hier seinem Gegner am Tisch – halbwegs – zivilisiert entgegentreten und ihm anschließend im Boxring ein paar auf die Mappe hauen. Leah findet das alles gar nicht so unspannend…
Schach kann auch spannend sein
Wer bisher – wenn das Wort „Schach“ fiel – an zwei alte Herren dachte, die sich im Park an einem kleinen Tisch gegenübersitzen und hin und wieder ein Figürchen über das Brett bewegen, der wird in Steve Whitburns rasantem Roman schnell eines Besseren belehrt.
Whitburn lässt die 17jährige Leah eine rasante Reise antreten, von einer angepassten – wenn auch sicherlich hochtalentierten – Jugendlichen, die beim Schachspielen so manchem Gegner das Fürchten beibrachte, zu einer haltlosen Aussteigerin, die ihren eigenen Weg sucht, aber nicht so recht finden kann. Leah ist keine angepasste Heldin. Sie erzählt in diesem Buch in der Ich-Form, teilweise in Form eines Bloggs und hält sich weder in ihren Berichten noch in ihren Kommentaren zurück. Aber genau das macht das Buch lebendig.
Wunderschön ist auch, wie Whitburn die Schönheit und die Spannung des Schachspiels vermitteln kann. Schach ist mitnichten ein Spiel für alte Herren, sondern ein Kriegsspiel, bei dem es auch darum geht, den König nicht verängstigt in der Ecke hocken zu lassen, sondern als Krieger mit in die Schlacht zu führen. Es ist dabei sicher keine Grundvoraussetzung, die Regeln des Schach zu kennen, wenn man zu diesem Buch greift. Leah lässt die Leser beim Spiel zwar grundsätzlich an ihrer Gedankenwelt teilhaben – aber die geht so weit in die Feinheiten des Schach, das vermutlich sowieso niemand folgen kann. Ich zumindest konnte es nicht, gebe aber auch gerne zu, dass ich nur die Züge beherrsche und eine lausige Taktikerin bin.
Schach ist hier sogar in der Lage, seine Heldin hinter Gittern zu bringen, als diese nach einer Schachpartie mit Wetteinlage wegen „wegen illegalen Glückspiels“ eingebuchtet wird und sich mit vielen anderen Delinquentinnen in einer Zelle wieder findet. Dazu dieser wundervolle Dialog:
“Für was haben sie dich einkassiert?“
“Schach“
“Konsum oder Dealen?“…
“Nicht Hasch. Schach.“
“Das Brettspiel?“
“Ja“
Latzhose wirft den Kopf in den Nacken und lacht aus vollem Hals…
“Willst du wissen, warum ich hier bin, Leah?“
“Klar.“
“Backgammon.“
“Echt jetzt?“
“Nein, Kreditkartenbetrug.“
Fazit
Whitburn beschreibt eine tolle Reise seiner Heldin, die beginnt, ihren eigenen Weg zu gehen, aber auch sieht, dass sie diesen nicht alleine beschreiten muss und gerade die Hilfe von Freunden – seien es auch die manchmal etwas „eigenartigen“, nicht angepassten – eine immens wichtige Unterstützung ist. The fight you live beschreibt sicherlich einen Sport, der mehr oder weniger in einer Nische stattfindet, aber die Botschaft ist allgemeingültig: Gib’ niemals auf.
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