Zweiunddieselbe: Das vergessene Leben der Jenna Fox
Die schöne neue Welt
Als Jenna Fox aus dem Koma erwacht, ist alles anders: Sie kann sich nicht an ihr früheres Leben erinnern, vor ihr stehen Fremde, die behaupten, ihre Eltern zu sein und ihre Oma scheint sie nicht mehr leiden zu können. Immerhin – wenn es so ein schwerer Unfall war, dann hat ihr Körper ja überraschend wenig davongetragen. Jenna arbeitet an sich – ihr Körper ist schnell wieder fit; das Laufen ist bald wieder gelernt und viele selbstgedrehte Familienfilme lassen sie ihre eigene Geschichte wieder erlernen und verstehen. Aber es bleiben viele Fragen: Warum hat sie ein Wissen über Geschichte, das jeden Lehrer zu einem beschämten Erröten bringt, warum sind ihre Eltern in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit ihr in ein einsames Haus gezogen und warum meldet sich keiner ihrer ehemaligen Freunde bei ihr? Jenna beginnt nach ihrem eigenen Leben zu suchen.
Die schöne, neue Welt
Die US-amerikanische Autorin Mary E. Pearson führt uns in diesem ersten Buch der Jenna-Fox-Trilogie in die „schöne“, neue Welt der Zukunft. Jenna – gerade nach einem schweren Unfall aus dem Koma erwacht – berichtet als Ich-Erzählerin aus ihrer Zeit: Der letzte frei lebende Eisbär ist gerade gestorben, die Bevölkerung wird von Seuchen heimgesucht, gegen die kein Mittel hilft, weil der übermäßige Einsatz von Antibiotika in der Vergangenheit zu Resistenzen führte und das ständige Experimentieren mit genetisch verändertem Saatgut hat dazu geführt, dass viele Pflanzen unwiederbringlich verschwunden sind. Immerhin – es gibt auch gute Nachrichten: Organe für Transplantationen können jetzt jahrelang aufbewahrt werden, die Informationen aus Gehirnen können abgescannt und gespeichert werden und sicher hat der Fortschritt der Medizin nicht nur Nachteile gebracht.
Dennoch – in vielen Fällen bekommt der Mensch die Quittung dafür, dass er der Natur ins Handwerk pfuschte und glaubte, Gott spielen zu können. Jenna erlebt diese Konsequenzen am eigenen Leib. Sie stellt, aus der Bewusstlosigkeit erwacht, schrittweise fest, welche Veränderungen nach dem Unfall eingetreten sind und was noch von ihrem eigentlichen Leben übrig ist. Besonders erschwert wird ihre Situation, dass sie sich an menschliche oder familiäre Bindungen nur schwer wieder gewöhnen kann und sie offensichtlich aber auch nicht von jedem mit offenen Armen aufgenommen wird.
Spannendes Science-Fiction-Szenario
Pearson stellt anhand diese Situation hochmoralische Fragen: Wann ist ein Mensch noch ein Mensch und wann ein Roboter? Wann ist ein Leben noch lebenswert? Können Eltern tatsächlich so über ein geliebtes Kind verfügen, dass es um jeden Preis am Leben erhalten wird? Gibt es nach dieser Entscheidung noch einen Abnabelungsprozess oder handelt eine nach dem Willen der Eltern programmierte künstliche Intelligenz? Überhaupt – können viele medizinische Ressourcen in einen fast hoffnungslosen Fall geworfen werden, während andere Patienten mit besserer Prognose sterben müssen? Allen diesen Fragen muss Jenna sich stellen und dazu kommen auch noch die offenen Fragen, die sich um den Unfall drehen. Was ist mit ihren beiden Freunden passiert, die möglicherweise mit ihr im Wagen saßen und überhaupt – wer trug die Schuld an dem Unglück?
Die Antworten zu diesen Fragen hat die Autorin in einem spannenden Roman verpackt, der nur nach der wichtigsten Auflösung ein paar Längen aufweist und bei dem ich auch nicht alle Personen verstehen konnte. Regelrecht überrascht war ich allerdings von dem mehr als plötzlichen Ende. Nach den ganzen Verwicklungen kommt es doch unerwartet versöhnlich daher und ein paar berechtigte Fragen stellen sich auch bei Pearsons zeitlichen Angaben und der Platzierung ihrer Personen darin.
Fazit
Mary E. Pearson bietet mit dem Auftakt der Jenna-Fox-Trilogie eine spannende, aber dennoch wichtige Auseinandersetzung mit einer möglichen – alles andere als schönen – neuen Welt und den Fragen, die sich ernsthafte Wissenschaftler hoffentlich schon lange gestellt haben. Der medizinische Fortschritt um jeden Preis mag für manche verlockend erscheinen. Niemand sollte aber vergessen, dass auch beispielsweise das Leben eines Anakin Skywalker nur durch (natürlich fiktive) extreme medizinische Technik gerettet werden konnte und auch hier stellt sich die Frage, ob sein neues Leben auch sein Wunsch gewesen wäre.
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