Bedrückender Einblick in den Spitzensport
Die junge Turnerin Audrey Lee kennt nur ein Ziel: Sie möchte an den Olympischen Spielen in Tokio eine Medaille erkämpfen. Audrey weiß, dass es ihre letzte Chance sein wird. Denn seit einem Bandscheibenvorfall hat sie mit starken Rückenschmerzen zu kämpfen und kann nur dank den Kortison-Spritzen überhaupt noch turnen. Schon der Kampf um einen Platz im US-Team für Tokio bringt Audrey an ihre körperlichen Grenzen. Und als der Coach ihr klar macht, dass er noch mehr von ihr erwartet, will sie ihren Platz im Team behalten, gibt daher alles, um die Schwachstelle „Balken“ auszumerzen. Kaum im Trainingscamp angekommen, das den Olympischen Spielen vorgelagert ist, platzt eine Bombe: Der Coach wird vom FBI verhaftet. Er hatte den Dopingtest einer jungen Turnerin gefälscht und sie aus dem Team geworfen – nun kontert sie mit einer Anzeige wegen sexuellen Missbrauchs. Für die übrigen Turnerinnen ein Schock. Audrey muss sich darüber klar werden, ob sie an ihren Coach glaubt oder ob sie den Beschuldigungen der Turnerin Dani Glauben schenken will. Mit dieser Belastung im Gepäck reist das Team nach Tokio.
Zwei wichtige Themenbereiche
Mit ihrem Turnerinnen-Roman spricht die Autorin Jennifer Iacopelli zwei wichtige Themenbereiche an. Auf den ersten Blick scheint der Missbrauch im Vordergrund zu stehen, bei näherem Hinsehen wird dem Aspekt „Gesundheit“ jedoch mindestens dasselbe Gewicht verliehen. Die Kombination der beiden Aspekte ist überaus gut gelungen, der Roman wirkt dadurch weder überladen noch unausgegoren. Die in Ichform erzählende Audrey verkörpert glaubhaft das junge Mädchen, deren größter Ehrgeiz es ist, eine Medaille zu gewinnen und das bereit ist, dafür das Opfer zu bringen, lebenslang mit Schmerzen leben zu müssen. Die Szenen nach einem Wettkampf weisen aber ungeschönt darauf hin, dass Audrey und ihre Schmerzgeschichte kein Einzelfall ist: Die Turnerinnen werden mit Eispackungen, Massagen und anderen Mitteln gepflegt, um mit den Belastungen des Körpers fertig zu werden.
Typisches Verhalten
Überzeugend aufgebaut ist auch der Themenkomplex Missbrauch – wobei hier eine Triggerwarnung zu Beginn des Buches nicht falsch wäre. Der Coach, der von den Mädchen gleichermaßen gefürchtet wie als Fachmann verehrt wird, geht sehr subtil vor und nutzt die verletzlichsten Momente seiner Turnerinnen, um übergriffig zu werden. Sehr menschlich und damit überzeugend dargestellt ist die Reaktion der einzelnen Mädchen: Sie geht von der vollständigen Leugnung bis zum Geständnis, selbst betroffen zu sein. Sehr schön eingefangen hat die Autorin auch den wachsenden Gruppenzusammenhalt und die dennoch schwelende Konkurrenz zwischen den Mädchen. Hier zeigt sich, dass sich die Autorin im Turnen wie in der Turn-Szene auskennt. Allerdings ist die Kehrseite der Medaille, dass man den Turnsport schon sehr mögen muss, um nicht über die vielen klar sportlich ausgerichteten Szenen zu stolpern. Misslungen ist leider die Cover-Gestaltung: Hier hat die Grafik-Abteilung gepatzt und auf ein Bild vom Bodenturnen gesetzt, es dann aber verkehrt herum platziert, was einen unstimmigen Ausdruck hinterlässt.
Fazit
Goldmädchen ist ein überzeugendes Buch rund um den Spitzensport, das sich an tatsächliche Ereignisse anlehnt und doch keinen Abklatsch der bekannten Geschehnisse darstellt. Die Charaktere überzeugen ebenso, wie die Geschichte und der Umgang mit den beiden hauptsächlichen Themenbereichen.
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