Die Gewaltspirale schraubt sich immer höher
Sie ist die unbestrittene Königin der Klasse: Sara, hübsch und ein rücksichtsloses Biest. Seit Sara in die Klasse gekommen ist, hat sich ein Klima von Gewalt, Gemeinheiten und Angst breit gemacht. Denn Sara nutzt jede Gelegenheit, andere zu verunsichern und zu drangsalieren. Gestützt wird sie dabei unter anderem von den beiden Mädchen, die vor Saras Einzug in die Klasse den Ton angegeben haben.
Zur Klasse gehören auch Kim und sein empfindsamer Freund Sverre. Beide hatten anfänglich ein Auge auf Sara geworfen, bis sie mit ein paar wenigen Worten Sverre der Lächerlichkeit preisgegeben hat. Seither versuchen die beiden, in der Menge der „Namenlosen“, wie Sara die Klasse hauptsächlich nennt, zu verschwinden, um nicht zum Opfer zu werden.
Doch dann bringt die engagierte Geschichtslehrerin Hoppe die Klasse auf die Nordseeinsel Marooge, wo sie zu einem neuen Klassengeist ohne Gemeinheiten und Mobbing finden sollen. Zum ersten Mal bröckelt Saras Fassade. Und langsam beginnen sich die Machtverhältnisse umzukehren. Kim sieht einen Weg, Saras Macht zu brechen, indem er sie mit eigenen Waffen schlägt. Ganz wohl ist ihm dabei allerdings nicht. Denn er spürt, dass sich hinter Saras Bösartigkeiten eine Geschichte verbirgt.
Es geht an die Substanz
Was sich hier in dieser Klasse abspielt, geht definitiv an die Substanz. Autorin Alexandra Kui zeichnet ein Bild des Schreckens. Die intelligente Sara schafft es mühelos, ihre Macht durch gezieltes Mobbing zu zementieren. Aus Angst, selbst zum Opfer zu werden, schaut die Mehrheit weg: Also eine klassische Mobbing-Situation. Fragen wirft hier einzig das Verhalten der jungen Lehrerin auf. Sie erkennt das Problem, zieht aber keine Fachleute bei, sondern begibt sich mit der Klasse, in der es in einem solchen Ausmaß brodelt, auf eine Nordseeinsel, auf der die Jugendlichen zu sich selbst zurückgeworfen werden. Dass dies aus dem Ruder läuft, müsste die Lehrerin an sich erkennen. Da hilft es auch nicht, dass mit dem ebenfalls jungen Sportlehrer eine Unterstützung mitreist. Umso weniger, als es zwischen Frau Hoppe und dem Sportlehrer gehörig knistert, die beiden also stark in eigene Probleme verstrickt sind.
Stimmiger Spannungsbogen
Zunächst verschieben sich die Machtverhältnisse in der Klasse nur unmerklich. Die Autorin schafft es, die Situation überzeugend darzustellen, lässt gleichzeitig auch nach und nach die Fassade der Mobberin Sara bröckeln. Zuerst sind es nur kleine Steinchen, die fallen, dann immer größere Stücke: So, dass sich das Bild, das die Leserinnen und Leser sich von Sara machen, immer stärker wandelt. Auch der zunächst unschuldige Kim verändert sich merklich und bekommt einen durchaus unerwarteten Charakterzug verpasst. Daneben hält Alexandra Kui gekonnt den Spannungsbogen, spielt mit Unerwartetem, lässt Nähe zu und schafft wieder Distanz. Hier zeigt sich das Können einer überzeugenden Schreiberin.
Fazit
Trügerischer Sog ist ein gekonnt inszenierter Thriller, der zum einen mit den niederen menschlichen Charakterzügen spielt und zum anderen ein wunderbar morbides Setting zu Grunde legt. Beklemmende Unterhaltung ist garantiert, ebenso ein langes Nachhallen der wesentlichen Themen.
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