Eine hübsche Ferienlektüre
Persephone Alexander möchte von ihren Freunden gerne „Seph“ genannt werden. Aber das ist nicht so einfach, denn sie hat keine Freunde. Persephone ist das, was wir als „Wunderkind“ bezeichnen. Sie ist einfach so durch alle ihre Fächer gezischt und bereitet sich auf Wunsch ihres Vaters darauf vor, bald die „stinknormale“ Uni in Philadelphia zu verlassen, um an das elitäre Harvard zu wechseln und dort die jüngste Gewinnerin eines Mathematikpreises zu werden. Aber Seph hat für ihren Status als Wunderkind einen hohen Preis gezahlt, denn es ist nicht so, dass ihr alles einfach zufliegt. Vielmehr musste sie ihr Leben den strengen Anforderungen ihres Vaters anpassen und hart an ihrem Stundenplan arbeiten. Der allerdings sah keine Freistunden für Freunde oder – um Himmels willen – etwa für eine Beziehung vor. Seph beschließt hier und jetzt daran etwas zu ändern und wenn sie schon nach Harvard wechseln soll, dann hat sie immerhin ein paar Wochen Zeit, um wie eine normale, fröhliche Studentin zu leben. Genauer gesagt – um wie eine normale, fröhliche Studentin zu leben, die auch ein Liebesleben hat…
Klausur bestanden: Check, Hamburger essen: Check, Erster Sex: Check
Um es offen zu sagen, mir fiel es sehr schwer, mich auf die Geschichte von Seph und Reece einzulassen. Beide erzählen abwechselnd als Ich-Erzähler und bedienen erst einmal altbekannte Klischees: Sie ist die begabte, sehr hübsche aber total unbedarfte Musterschülerin, er der coole Footballstar, der alles braucht, aber weiß Gott keine Beziehung. Beide stolpern regelrecht übereinander, als sie – sicherlich nicht ganz gewollt – ein regelrechtes „Casting“ veranstaltet, um einen geeigneten Kandidaten zu finden, der mit ihr den ersten Beischlaf vollzieht.
Hier setzte dann erstmalig mein Verständnis aus: Auch wenn jemand ohne Kontakte mit Gleichaltrigen irgendwo unter einem feuchten Stein groß geworden zu sein scheint, dann müsste auch diese Person doch ein paar grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten im Hinblick auf Gefühle, Scham oder auch Romantik haben. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass eine immerhin gebildete junge Frau, die zumindest einmal Romeo und Julia gelesen haben dürfte, derart pragmatisch das Thema des ersten Sex angeht und sich eingehend nach Geschlechtskrankheiten und der Penisgröße der Kandidaten erkundigt. Natürlich schafft Sephs ahnungsloses und naives Herumstolpern im Minenfeld der Beziehungen interessante und einige witzige Szenen. Glaubhaft waren sie für meinen Geschmack aber nicht. Spritzige Dialoge gelangen immerhin bei der Beschreibung von Reeces Jungs-WG und seinen Football-Freunden. Hier schrieb Maya Hughes tatsächlich lustige Szenen, die einfach natürlich wirkten.
Schade war aber insbesondere, dass verschiedene Handlungsstränge einfach zu oberflächlich abgehandelt wurden. So zeigte sich im Hinblick auf Seph’s Familiengeschichte, dass ihr Vater offensichtlich nicht nur eine dominante Rolle ausübt, sondern die Familie regelrecht zu tyrannisieren schien. Die hier plötzlich auftretende Entwicklung und auch die Auflösung in der Familie waren aber zu kurz und zu schnell erzählt, um ein ernsthaftes Gewicht zu haben. Ich hätte mir auch gewünscht, ein wenig mehr über Reece zu erfahren und zu verstehen, warum ihm so plötzlich vieles aus seiner Familie peinlich war.
Fazit
Maya Hughes liefert eine recht hübsche Geschichte über das neue – sicherlich auch süße – Pärchen Seph und Reece. Dennoch ist es wieder einmal eine Geschichte über eine unbedarfte, naive junge Frau, die im Prinzip aus der „Wildnis“ in die „Gesellschaft“ eingeführt wird. Der irische Autor Bernhard Shaw schrieb in seinem Roman „Pygmalion“ 1913 erstmalig über eine ähnliche Idee, 1956 entstand dazu das Musical „My fair Lady“. Ganz neu ist die Geschichte vom „Wildfang“ also nicht – aber immerhin liefert sie mit den sympathischen Helden eine hübsche Ferienlektüre und unterhaltsamen Lesestoff für den Pool – und das ist ja schließlich auch nicht schlecht.
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