Moderne Aschenputtel-Version
Estellas Leben ist nicht gerade einfach. Sie lebt in dem fürchterlichen Haus ihrer Stiefmutter Vee und muss sich von der jungen Witwe nicht nur herumkommandieren lassen, sie wird auch wie ein Mensch zweiter Klasse behandelt. Daher träumt Estella davon, nach ihrem Schulabschluss Irland und damit das Leben mit der bösen Stiefmutter so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Als Noah auftaucht, ist Estella zunächst voller Misstrauen. Von Vees Bruder wurde ihr nie etwas erzählt und schnell ist sich Estella bewusst, dass mit Noah einiges nicht ganz stimmt. Dennoch kann sie sich dem Charme des jungen Mannes nicht entziehen, denn er kümmert sich umsichtig um Estella und steht ihr auch mal gegen seine große Schwester bei. Nur die gemeinsame Mutter Silvia, die mit im Haus lebt, aufgrund ihrer Behinderung aber auf Hilfe angewiesen ist, kann weder auf Vees noch auf Noahs Mitgefühl zählen. Einzig Estella begegnet Silvia mit Warmherzigkeit und Fürsorge. Nach und nach offenbart sich, dass in dem großen, dunklen Haus ein düsteres Geheimnis steckt. Je näher sie Noah kommt, desto mehr hinterfragt Estella ihre Zukunftspläne.
Klischee um Klischee
Was sich auf dem Klappentext nach einer spannenden, geheimnisvollen Geschichte anhört, entpuppt sich schnell mal als eine etwas abgedroschene Aneinanderreihung von Klischees. So etwa die böse Stiefmutter, die die Tochter ihres verstorbenen Mannes in ihrem Haus gerade noch knapp duldet, aber keine Gelegenheit scheut, ihr das Leben zur Hölle zu machen. Dazu gehört etwa ein abgeschlossenes Badezimmer, das verhindert, dass Estella sich für die Schule frisch machen kann – oder auch, dass Estella sich ihre Lebensmittel selbst besorgen muss, obwohl sie kein Geld dafür bekommt. Dass Estella dann zudem wie eine Dienstmagd behandelt wird und sich liebevoll um die ebenfalls schlecht behandelte Mutter von Vee kümmern muss, setzt dem Klischee noch die Krone auf. Unglaubwürdig wird die geschundene Protagonistin dann, wenn sie zum einen als eine intelligente und durchaus selbstbestimmte Persönlichkeit dargestellt wird, sich aber den Attacken Vees weder entzieht noch sich dagegen wehrt. Die tiefe Religiosität der Protagonistin – das wird etwas gar oft betont – vermag dieses Verhalten nicht erklären.
Es dauert, bis die Geschichte in Fahrt kommt
Zunächst dümpelt das bedauernswerte Leben Estellas vor sich hin. Das ändert sich auch nur leicht, als Noah ins Spiel kommt – oder Kean, der sich angeblich um Estellas Gunst bewirbt, dabei dunkle Absichten hegt, aber über den Status einer blassen Nebenfigur nicht hinauskommt. Erst gegen Ende des Buches kommt etwas Fahrt auf, die Fülle der Geheimnisse und die aktuellen Ereignisse stehen dann in einem bemerkenswerten Gegensatz zum bisherigen Verlauf. Nicht überzeugen können die Erklärungen für Vees Verhalten gegenüber Estella und auch die verschiedenen Mystery-Elemente lösen bestenfalls wohlwollendes Begreifen aus, können aber den gesamten Roman nicht rausreißen. Selbst die recht süffige Schreibweise und angenehme Sprache machen das Buch nicht zum Highlight.
Fazit
Die moderne Aschenputtel-Version funktioniert letztlich nicht ganz. Estella und Noah lassen wenig Nähe zu, die Erklärungen zu den verschiedenen Ereignissen und Konstellationen sind nicht immer schlüssig und die Entwicklung der Geschichte hat zu viele Stolperfallen. Deshalb gehen die vorhandenen starken Elemente unter.
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