Stille Töne, tiefe Emotionen und viel Unbekanntes
Nichts ist so, wie es sich Arwa für ihr Studium in Wien erhofft hatte. Sie schafft es trotz guter Vorsätze nicht, aus dem Kokon auszubrechen, in den sie sich in der Vergangenheit immer mehr zurückgezogen hat. Aus dem fröhlichen Kind in Pakistan ist eine verschüchterte junge Frau geworden, die sich in der Gesellschaft Fremder unwohl fühlt. Einzig die Kunst vermag die 19-Jährige etwas aus ihrem tiefen Loch heraus zu holen.
Als Arwa auf einer Feier dem jungen Pakistani Tariq begegnet, fühlt die junge Frau etwas in sich aufbrechen. Sie hofft, dass Tariq in der Lage ist, ihr zu helfen, die Schüchternheit abzulegen und mehr Lebensfreude zu empfinden. Aber Tariq ist selber in einem Zwiespalt. Der junge Mann will sich den vielen Zwängen der Traditionen seines Herkunftslandes nicht mehr unterwerfen, sondern leben, wie die anderen jungen Menschen in Österreich. Damit aber stößt er die Menschen in seinem Umfeld vor den Kopf. Mehr und mehr erleben die beiden jungen Menschen die Zerrissenheit zwischen zwei Kulturen.
Schwierige Identifikation
Es ist ein sehr stiller Roman, den Mehwish Sohail hier vorlegt. Wer gerne große Dramen und viel Tempo mag, wird von dieser Geschichte enttäuscht sein. Anders jene Leserinnen und Leser, die sich gerne auf etwas Neues einlassen und sich vertieft damit auseinandersetzen möchten. Klar ist: Mit der Figur von Arwa werden gängige Themen junger Erwachsener auf eine ganz andere Stufe gestellt. Ja, im Prinzip kämpft Arwa mit den Problemen der jungen Menschen in Mitteleuropa: Sie ist auf der Suche nach sich selbst und stolpert dabei über ihre Hemmungen und die in ihr schwelenden psychischen Probleme.
Dass es dennoch etwas ganz Neues ist, das dem Publikum von Mehwish Sohail vorgelegt wird, erklärt sich in der Nationalität Arwas: die pakistanische Kultur mit ihren einengenden Traditionen spielt eine wesentliche Rolle. Das erklärt es auch, weshalb es vielen Leserinnen schwerfallen dürfte, sich mit Arwa tatsächlich zu identifizieren, beziehungsweise ihr als handelnder Figur näher zu kommen. Erfrischend taucht da Tariq auf, der nicht nur mit seiner anderen Sichtweise mehr Bewegung in den Roman bringt, sondern durch sein Auflehnen gegen die Traditionen seines Landes diese den Leserinnen und Lesern auch erklärt.
Viele Facetten
Für ein Roman-Debüt kann Like water in your hands mit ganz schön vielen Stärken aufwarten. Eine davon ist die Figurenzeichnung, die von vielen Facetten lebt und ein buntes Bild ergibt. Zum anderen punktet der Roman mit den Diskrepanzen zwischen den beiden so unterschiedlichen Kulturen – Österreich und Pakistan. Er hält der oft gehörten Meinung gegen, die hier untergekommenen Menschen anderer Kulturen müssten durchweg glücklich sein, dass sie es geschafft haben, dem Elend ihrer Heimat zu entfliehen. Heimweh, Unverständnis gegenüber das Fremde und Identitätskonflikte sind nur einige der Stichworte, die diesen Bereich kennzeichnen. Spannend ist es, die vertraute Kultur durch die Augen eines Menschen zu erleben, der einer anderen Kultur angehört.
Ruhige Töne und einige Längen
Die Ruhe, die die junge Autorin in ihren Roman einbringt, passt hervorragend zur Hauptperson Arwa. Allerdings geht sie zulasten der Geschichte an sich. Immer wieder fällt Mehwish Sohail in die Schilderung ähnlicher Situationen ab und sorgt damit für etliche Längen, die das Tempo weiter drosseln und ganz dicht an die Grenze von Überdruss führen. Hier hätte eine größere Vielfalt der Szenarien durchaus Sinn ergeben und sich positiv auf den Roman ausgewirkt. Die recht poetische Sprache, in der Mehwish Sohail ihren Roman erzählt, unterstützt leider die Trägheit, die durch die wiederholenden Situationen und Gedanken entsteht.
Fazit
Dieser Roman verlangt nach einer Auseinandersetzung mit einer hierzulande kaum bekannten Kultur. Ist man als Leserin oder Leser dazu bereit, entfaltet sich vor den Augen ein wunderbares Porträt mit vereinzelten Schwächen. Auf jeden Fall aber öffnet der Roman die Türen für ein breiteres Verständnis und einen anderen Umgang mit allem Fremden.
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