Die Geister, die ich rief
Cassandra Castairs ist die Erbin einer der größten und mächtigsten Hexenfamilien. Nachdem ihre Eltern bei einem Brand umgekommen sind und kurze Zeit später auch ihre Großmutter unter mysteriösen Umständen verstorben ist, hat sich Cass der Hexerei abgewandt – sehr zum Ärger der anderen Hexenfamilien, die seitdem versuchen, dass Cass von ihrem Talent wieder Gebrauch macht. So auch der einflussreiche Hexer Wittmore, bei dem Cass bis zu ihrem 18. Geburtstag wohnen soll.
Helfen soll ihm dabei seine Tochter, Sarah-Ann Wittmore. Sie soll versuchen, Cass in ihre Clique aufzunehmen, sodass sie zusammen mit anderen jungen Hexen die Lust für Magie wiederentdeckt. Doch Sarah-Ann verfolgt andere Pläne. Denn seit geraumer Zeit häufen sich mysteriöse Todesfälle in der Gegend. Darum plant Sarah-Ann mit ihren Freundinnen eine Séance. Doch statt mit einem der Opfer Kontakt aufzunehmen, erscheint Cass der Geist einer vor langer Zeit hingerichteten Hexe. Ist sie der Grund, warum Cass in letzter Zeit in seltsamen Unfälle verwickelt ist?
In dem Haus Wittmore kann sie keinem trauen, das weiß Cass. Doch was ist mit dem gutaussehenden Luke, der ihr seine Hilfe anbietet? Nach einigem Hin und Her nimmt Cass seine Hilfe entgegen. Aber war das wirklich so eine gute und kluge Entscheidung?
Solides Worldbuilding, aber sehr zahm
Eine Hexen-Gesellschaft mitten in der normalen Welt. Autorin Lynn Raven schafft in Witchghost einen tollen Rahmen für eine spannende Fantasy-Geschichte. Sie baut diese Parallelgesellschaft gekonnt nach und nach auf, ohne viel zu erklären. Das ist die beste Art und Weise, eine neue Welt zu erschaffen: Die Welt innerhalb der Geschichte erklären und nur so viel preisgeben, wie für das Verständnis notwendig ist. Fragezeichen entstehen dann während des Lesens, wobei man trotzdem gut mit der Erzählung mithalten kann.
Doch die geisterhafte Erscheinungen, mysteriösen Todesfälle und das Haus voller Menschen, denen die Protagonistin nicht vertrauen kann, hätten ein wenig mehr Grusel und Horror vertragen können. Es gibt zwar die eine oder andere Begegnung mit einem Geist in den tiefen Wäldern Neuenglands, aber diese verlaufen sehr zahm. Der Fokus liegt eindeutig auf der Beziehung zwischen Cass und Luke, wobei die Spannung fast ausschließlich aus der Frage besteht, ob Cass Luke tatsächlich trauen kann.
Spannende Welt, solide Figuren, gewöhnungsbedürftiger Schreibstil
Allerdings war die Beziehung zwischen Luke und Cass längst nicht so spannend, um fesseln zu können. Denn die Figuren waren zwar solide, aber uninteressant. Erlebt wird die Hauptstory hauptsächlich aus der Perspektive von Cassandra. So bleiben die Beweggründe und Gedanken der anderen Figuren ein Geheimnis. Lukes Verhalten ist aber längst nicht so undurchschaubar, als dass man sich ständig fragen würde, ob er „gut“ oder „böse“ sei. Zwar verstehe ich, dass Cassandra etwas braucht, um ihm zu vertrauen. Aber dass sie trotzdem ständig mit ihm abhängt, hat dann doch sehr verwirrt.
Was der Geschichte auch ein bisschen die Spannung nimmt, ist die ständig wechselnde Perspektive. Zum einen geht es in die Vergangenheit zurück und man erlebt, was mit Sarah – der Hexe, dessen Geist Cassandra erscheint – passiert ist. Doch weil Witchghost mit einer bestimmten Szene anfängt, wird auch hier viel von der Spannung genommen. Denn man weiß eigentlich von Anfang an, was passiert ist, der Rest ist nur Füllmaterial. Andererseits gibt es sehr verstreut Kapitel, die aus der Perspektive von Sarah-Ann erzählt sind. Auch hier wird viel Spannung genommen, denn man erfährt für meinen Geschmack etwas zu viel über das, was sozusagen hinter Cassandras Rücken passiert.
Fazit
Witchghost verschenkt viel Potenzial. Die Figuren sind etwas zu uninteressant, sodass das Hin und Her in der Beziehung zwischen Cassandra und Luke nicht so sehr berühren konnte, wie es vielleicht sollte. Auch die Erzählweise nimmt der Geschichte viel Spannung weg, denn man erfährt bestimmte Sachen viel zu früh. So bleiben die Ereignisse um den Tod von Sarah im 18. Jahrhundert nicht lange ein Geheimnis. Trotzdem konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen, denn mich hat die Welt, die Autorin Lynn Raven kreiert hat, sehr fasziniert. Witchghost ist insgesamt eine angenehme Geschichte mit einer interessanten Welt, die aber nicht lange in Erinnerung bleiben wird.
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