Der Weg ist das Ziel und dabei wird sehr viel kopflos herumgerannt
Anfangs denkt die Kunststudentin Nika Ruland noch, dass sie es nur mit dem Alkohol zu doll getrieben hat: Zwar wird sie in ihrer Wohnung wach, aber sie hat in ihren verdreckten Klamotten geschlafen und es nicht einmal geschafft, ihre Schuhe auszuziehen. Dann kommt die nächste Überraschung: Ihr Handy ist weg, bei ihrem Laptop fehlen Akku und Netzteil und offensichtlich hat sie ein Spaßvogel in ihrer Wohnung eingeschlossen. Als dann aber noch ein blutbesudeltes T-Shirt im Bad auftaucht, von dem Nika schwören würde, dass es nicht ihr gehört und zudem ein mysteriöser Besucher eine Nachricht auf dem Spiegel hinterlassen hat, reicht es ihr. Was soll das Ganze und wer kann ihr das erklären? Vielleicht die eigenartigen Nachrichten, die auf einem Zettel in ihrer Hosentasche auftauchen und die sie offensichtlich selbst geschrieben hat? Aber wann und warum? Und wo ist ihre Mitbewohnerin Jenny geblieben? Langsam wird es Nika unheimlich – und dazu hat sie allen Grund.
With the lights out, it’s less dangerous
Ursula Poznanski konstruiert in ihrem Roman Aquila ein regelrechtes Horrorszenario. Der Leser schlägt gemeinsam mit der Heldin die Augen auf und findet sich in einer eigentlich vertrauen Welt wieder, die aber keine Sicherheit bieten kann, denn offensichtlich hat hier ein unbekannter Dritter einiges durcheinandergewirbelt. Die Studentin Nika sieht sich daher gezwungen, nicht nur die Geheimnisse einer Nacht zu ergründen, die für sie komplett im Dunklen liegen, sondern muss sich auch noch mit weiteren Hindernissen herumschlagen. Dazu gehört zum Beispiel, dass sie gerade Zuhause ausgezogen ist und sich zum Kunststudium nach Siena in Italien begeben hat und hier vor einer fast unüberwindlichen Sprachbarriere steht. Jetzt könnte sich der Leser natürlich fragen, warum eine Studentin zum Kunststudium nach Italien zieht, wenn sie nicht einmal der Sprache mächtig ist, und damit wären wir auch schon bei einem meiner größten Kritikpunkte an diesem grundsätzlich spannenden Buch: Poznanski hat ihrer Heldin das Leben so schwer machen wollen, dass bei einigen dieser Hindernisse tatsächlich dann doch die Logik auf der Strecke geblieben ist.
Die Handlung des Buches beschränkt sich dann in erster Linie darauf, dass Nika den Erlebnissen der vergessenen Nacht nachjagt und sich dabei konsequent tiefer in den Schlamassel reitet. Auch das waren Punkte, die ich manchmal nicht nachvollziehen konnte: Warum unsere Heldin erst so spät auf die Idee kommt, das Schloss der Wohnung austauschen zu lassen, obwohl dort offensichtlich jemand ein- und ausgeht? Oder warum sie sich, als sie im Ausland mit einer möglichen Straftat konfrontiert wird, nicht alsbald Hilfe sucht – also Hilfe, die von Behörden, wie zum Beispiel der Deutschen Botschaft, der Polizei, eines Rechtsanwaltes, der Universität geleistet werden könnte und nicht von einem jungen Mann, den sie mal gerade ein paar Tage kennt und der sich darüber hinaus auch eigenartig sprunghaft verhält? Oder auch warum sie Material, das sie möglicherweise entlasten könnte, zurückhält um die Gefühle anderer zu schonen? Diese Fragen schaffen zwar grundsätzlich bei der dauernden Jagd durch das altehrwürdige Siena eine spannende Kulisse, ließen mich aber auch manchmal darüber nachdenken, wie es wohl sein konnte, dass Nika einmal ihr Abitur bestanden hat.
Die mit den Gänsen taucht…
Dennoch schildert Ursula Poznanski die Schnitzeljagd, die sich an Nikas Notizen orientiert und an deren Herkunft sie selbst sich nicht mehr erinnern kann, durchaus spannend – aber leider viel zu lang. Manchmal erinnerten mich die kryptischen Hinweise, die „vom Wasser, wo es am dunkelsten ist“ oder von „Weihnachten voller Schrecken“ sprechen, an die Abenteuer, die Robert Langdon im „Da Vinci Code“ zu lösen hatte, manchmal auch an ein simples „Jump-and-Run“-Spiel, bei dem sich die Heldin über verschiedene Ebenen zu spielen.
Fazit
Aquila ist nicht das gelungenste von Ursula Poznanskis Werken, auch wenn diese natürlich weiterhin ihr Handwerk versteht und einen durchaus mitreißenden Roman präsentiert. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass die Autorin langsam zu sehr in das Thema des Herumirrens und Versteckens verliebt ist – oder vielleicht entschieden hat, dass es so recht einfach ist, den Leser zu fesseln. Bei dem Output den Ursula Poznanski in den letzten Jahren an den Tag gelegt hat, muss jetzt vielleicht nicht wirklich überraschen, dass einmal die richtig zündende Idee fehlt – aber dennoch kann Frau Poznanski es besser. Wesentlich besser.
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