Liebe, die schmerzt
Ein Sommer an der englischen Küste. Das alte verwinkelte Haus ist wie jedes Jahr ein willkommener Hafen für die Familie und in den sechs Ferienwochen kostet jeder seine Freiheit aus. Strandspaziergänge, gutes Essen, Müßiggang und Schwimmen stehen auf dem Programm. Und in diesem Jahr sogar die Hochzeit von Tante Hope und Onkel Mal ganz am Ende. Doch die Familie ist diesmal nicht allein. Sie beherbergen zwei Jungs aus Amerika. Von ihrer Mutter regelmäßig anderen überlassen, hat zumindest der eine die Gabe, für jede Menge Unruhe und Chaos zu sorgen …
“Wenn Erwachsene von ihrer Jugendzeit schwärmen, hege ich immer den Verdacht, dass sie sich falsch erinnern.”
Die 16jährige Mattie ist sofort in den schönen und einnehmenden Kit Godden verliebt. Er überhäuft sie mit Aufmerksamkeit und wickelt sie schnell um seinen Finger. Sein Bruder Hugo, missmutig und abgeschottet, beobachtet ihn nur hasserfüllt und bleibt meist für sich allein.
Aber nicht nur Mattie findet Gefallen an der Zugewandtheit von Kit. Er beginnt immer mehr seine Fühler auszustrecken, spielt mit Mattis Gefühlen, indem er sich von ihr plötzlich zurückzieht, um im nächsten Augenblick wieder um ihre Gunst zu buhlen. Auch bei anderen in der Familie löst er Begehrlichkeiten aus. Seine Schönheit und sein Charme verursachen Gefühle von Verlangen, Neid und Missgunst. Er weiß damit zu spielen und nutzt die Emotionen rücksichtslos aus, um am Ende des Sommers einen richtig großen Coup zu vollbringen.
Salzige Haut und Salz in der Wunde
Meg Rosoffs Geschichte vermag es hervorragend eine sommerliche Atmosphäre zu erschaffen. Die Beschreibungen des Hauses und der Familie kreieren eine Art goldene 20er Jahre Stimmung und lassen den Leserinnen und Lesern sehr gut die Entspannung und das Sommerfeeling nachfühlen.
Die beiden amerikanischen Jungs bringen Unruhe ins Paradies und die Familie stürzt sehenden Auges ins Unglück. Kit Godden ist eine begehrenswerte und rücksichtslose Figur, die mit Menschen aus Berechnung spielt und genau weiß, wie der größtmögliche Schaden angerichtet werden kann. Sein Verhalten Mattie gegenüber zeigt, wie schnell eine Beziehung giftig werden kann und welchen psychischen Schaden dies anrichtet. Und das noch vor den Augen der Familie.
Die Erzählung schafft es, diese unterschiedlichen Stränge gut zu verbinden. Die Freiheiten des Sommers, das Verlangen nach Liebe und das spannungsgeladene Spiel des Schönlings. Das Ende ist überaus überraschend und noch etwas ist der Autorin wahnsinnig gut gelungen: Der oder die Ich-Erzähler(in) bleibt im Buch namens- und geschlechtslos. Dies fällt gar nicht so richtig auf – erst, wenn man versucht seine Eindrücke in eine Rezension zu packen. Dabei gelingt es, dass unbändige Verlangen nach dem geheimnisvollen Kit nachfühlbar zu vermitteln und die Welt aus eben jenen Augen zu sehen. Es macht diesen Roman super interessant und einzigartig.
Fazit
Sommernachtserwachen ist ein Buch, das überrascht. Einerseits ein wirklich atmosphärisches und literarisch schönes Sommerbuch und andererseits eine Geschichte, die fesselt und schockiert. Die originelle Art der Erzählstimme fasziniert und schafft ein vielfältiges Identifikationspotenzial.
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