Lustig, traurig, einfühlsam, unverschämt – kurz: wunderbar
Petula de Wilde kennt die Gefahren des Lebens: Da stürzen Baugerüste ein, Bremsen versagen, Viren und Bakterien sorgen für Vergiftungen und so mancher wurde bei einem Massenevent zu Tode getrampelt. Petula ist sich all’ dieser Bedrohungen bewusst und deswegen tut sie ihr Bestes, alles zu umgehen. Natürlich ist das anstrengend, wenn der Schulweg doppelt so lang ist wie normal, weil alle Straßen mit Baustellen gemieden werden müssen und manchmal schmeckt der Salat eigenartig, weil er mit Spülmittel gewaschen wurde, aber dafür ist Petula auf der sicheren Seite des Lebens. Dennoch hat sie wohl nicht alles richtig gemacht, denn eines Tages rennt Jacob sie um. Jacob, dem ein Arm fehlt und durch einen „Roboterarm“ ersetzt wurde und der offensichtlich ein Geheimnis mit sich herum trägt. Aber dieses Geheimnis kann nicht so schlimm sein wie das von Petula. Denn Petula hat gemordet …
Eine Tragödie, die alles veränderte
Susin Nielsen neues Buch besticht allein schon durch die Aufmachung: In einer bisschen altmodisch anmutenden Kreuzsticharbeit grüßen kleine Totenköpfchen vom Cover und selbst die Nicht-Handarbeiter fühlen sich eingeladen, sie nachzusticken. Erzählt wird hier von der 15jährigen Petula, deren Leben gewaltig aus den Fugen geraten ist. Petula war früher nicht in der „Psychogruppe“, in der alkoholabhängige oder traumatisierte Jugendliche therapiert werden sollen. Sie war ein Ass im Basteln, gemeinsam mit ihrer besten Freundin Rachel erschuf sie regelrechte Kunstwerke und dann trat die familiäre Tragödie ein, die alles auf den Kopf stellte. Nielsen beschreibt sachlich und dennoch einfühlsam, wie Petula versucht, als bindendes Glied zwischen ihren immer weiter voneinander abdriften Eltern zu vermitteln und jede Katastrophe vorauszusehen, die für weiteren Ärger sorgen könnte. Natürlich ist ein Teenager mit so einem Pensum vollkommen überfordert und so muss der Leser miterleben, wie die Atmosphäre in Petulas Familie immer unerträglicher wird, je mehr jeder damit beschäftigt ist, seine eigenen Schmerzstrategien zu entwickeln.
Dennoch – wer jetzt glaubt, Optimisten sterben früher sei ein trauriges Buch, der irrt sich gewaltig, denn Nielsen gelingt es auf ihre eigene ehrliche und unverblümte Art selbst aus den ernsten Momenten humorvolle Aspekte herauszuarbeiten. Da sind die zynischen Kids in der Therapiegruppe, die von den Teilnehmern selbst als „Basteln für Bekloppte“ bezeichnet wird, da sind die geringschätzigen und manchmal beleidigenden Anreden, die die engsten Freunde aus der Gruppe einander an den Kopf werfen, ehe sie sich herzlich umarmen und da ist das harte Brot der Wahrheit, das die Therapeutin Betty, die eigentlich für Kindertherapien ausgebildet ist, eines Tages zu schlucken bekommt. Politisch korrekt ist vieles nicht, zynisch einiges, aber dennoch schlägt hinter diesen Bezeichnungen ein großes Herz und mit zunehmender Öffnung der Jugendlichen beginnen sie einander zu akzeptieren und zu schätzen. Schön ist auch, dass bei allem Problembewusstsein und bei der Suche nach Lösungen dennoch Raum für eine berührend erzählte, ehrliche Liebesgeschichte ist.
Dennoch ist auch hier das Leben der Protagonisten nicht nur die reine Kuscheldecke, die alles umhüllt, wenn erst einmal die Probleme angegangen werden. Nielsen zeigt, dass es Dinge gibt, die sich nicht mehr vollständig reparieren lassen, dass letztendlich zwar vieles versucht und einiges angegangen werden kann, dass aber zum guten Schluss nur die Zeit zeigen kann, ob Dinge wieder besser werden.
Fazit
Optimisten sterben früher ist ein wunderbares Buch – nicht nur für Jugendliche –, das Mut macht, sich den Problemen zu stellen und sein Schicksal in die Hand zu nehmen. Manchmal ist es sicherlich zynisch – manchmal aber auch rührend und mich hat es begeistert!
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