Bad Castro

  • dtv
  • Erschienen: September 2021
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übersetzt von Uwe-Michael Gutzschhahn; Broschur, 208 Seiten

ISBN: 9783423740746

Bad Castro
Bad Castro
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Sabine Bongenberg
6101

Jugendbuch-Couch Rezension vonSep 2021

Hier fehlt sehr viel Hintergrund

Bad Castro ist jemand, den man in Deutschland wohl einen „Intensivtäter“ nennen würde: Er ist gerade mal 16 Jahre alt, aber ihm wird schon eine Menge vorgeworfen und trotz seines zarten Alters soll sogar schon ein Mord auf seine Kappe gehen. Aber nach einem anonymen Tipp ist er der Polizei endlich ins Netz gegangen und jetzt sitzt er in Handschellen im Polizeiwagen und er muss nur noch an der Wache abgeliefert werden. Doch die ermittelnden Polizisten und unter ihnen die junge Judy haben sich zu früh gefreut: Plötzlich kochen die Straßenkämpfe in einigen Stadtvierteln hoch, der Wagen mit dem sie ihren Gefangenen zur Wache bringen wollen, wird gerammt und Judy und ihr bisheriger Gefangener sehen sich plötzlich als Verbündete, die vor einem entfesselten Mob fliehen müssen.

„Gnade wird nicht gegeben und nicht erwartet. Gnade ist Schwäche und Schwäche ist tödlich.“

Kevin Brooks beschreibt in seinem neuen Roman, wie zwei Menschen, die aus demselben Milieu kommen, aber nun auf vollkommen anderen Seiten stehen, plötzlich zusammen arbeiten und auf ihrer Flucht vor einem gemeinsamen Feind neue Wege einschlagen müssen. Die Ich-Erzählerin Judy, 19 Jahre alt und gerade mit ihrer Ausbildung fertig, hat mit den beiden Polizisten, die Castro verhaftet haben, im Auto gesessen und sieht sich jetzt einer bedrohlichen Umwelt entgegen. Wegen eines Aufstandes wird das Unterste nach Oben gekehrt; Gesetze, Recht und Ordnung existieren nicht mehr und plötzlich wird die Polizei vom Jäger zum Gejagten.

Das gilt aber auch für Castro, dessen eigene Gang und seine bisherigen Kumpane sich mittlerweile auch gegen ihn wandten und so entwickelt Brooks eine spannende Geschichte über die nächtliche Flucht der beiden. Naturgemäß lernt der Leser die erzählende Judy besser kennen, wobei mich manchmal störte, dass sie offenbar kritiklos alles zu glauben scheint, was ihre Kollegen ihr erzählen. So ist ihr dann auch vollkommen klar, dass Castro in jedem Fall für alles verantwortlich sein muss, was ihm vorgeworfen wird. Der Gedanke, dass vielleicht die ganzen Behauptungen ein bisschen übertrieben sein könnten, scheint ihr niemals gekommen zu sein und sie wirkt, als würde sie in einer fest zwischen Gut und Böse abgegrenzten Welt zu leben. Dennoch ist sie die naivere von beiden und der jüngere Castro, der die Gesetze der Straße kennt, muss Judy regelmäßig vor ihrer Naivität, die auch nicht immer glaubhaft wirkt, schützen.

“Du kapierst es einfach nicht, oder“
“Ich kapiere was nicht?“
“Heute Nacht sterben Menschen.“

Hätte der Autor es allein bei dieser Idee bewenden lassen, so wäre eine spannende Fluchtgeschichte über die Bedrohungen einer Nacht und eine Freundschaft, die auf den Erfahrungen des ungleichen Paares beruhte, zu Stande gekommen – und das hätte sicher für den relativ schmalen Band genügt. Brooks konstruierte aber noch weitere Stränge, die weit über dieses nächtliche Abenteuer hinaus gehen und tief in die Vergangenheit und die Herkunft der jungen Polizistin reichen und nicht zuletzt auch ein bisschen über Castros Geschichte erzählen. Gerade das sind aber die Handlungen, die besonders interessant sind und über die ich gerne mehr erfahren wollte. Dadurch hat man als Leser das Gefühl, dass nur ein Bruchteil der Geschichte erzählt wurde.

Fazit

Kevin Brooks hat ein spannendes Buch über die Flucht eines ungleichen Paars vor einem gemeinsamen Feind geschrieben, aber auch viele weitere Hintergründe eingefügt, dass für eine solche Geschichte knapp 210 Seiten nicht reichen konnten. Das Ergebnis ist ein Roman, der Leser mit vielen Fragen und einem unbefriedigenden Gefühl zurücklassen dürfte. Brooks Roman geht über die Verwicklungen einer Nacht weit hinaus – erzählt wird aber leider nur sehr wenig davon.
 

Bad Castro

Kevin Brooks, dtv

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