Mit dem Herzen verstehen
So schwer hatte sich Ana den Start in ihrer neuen Heimat nicht vorgestellt. In ihrer neuen Klasse spricht niemand Spanisch, sie hat Mühe, dem Unterricht in Englisch zu folgen. Denn Ana kommt aus Argentinien. Erst kürzlich hat ihr Vater sie und ihre Mutter nach New Jersey nachgeholt – ein Glücksfall, wie alle meinen. Doch für Ana ist es eine große Belastung. Nicht nur, dass sie alles Vertraute in Argentinien zurücklassen musste, auch der Vater ist ihr mittlerweile fremd geworden. Tapfer versucht sich das Mädchen in die Klasse zu integrieren, stolpert aber immer wieder über Missverständnisse. Nur in der Kleinklasse Englisch für Fremdsprachige fühlt sich Ana einigermaßen aufgehoben. Denn hier teilen andere ihr Schicksal. Zwar niemand, der ihre Sprache spricht, aber andere Mädchen und Jungen, die oft nicht verstehen, was gesprochen wird. Als Ana sich mit dem Griechen Neo anfreundet, beginnt sie, mit dem Herzen zu verstehen.
Feines Buch über Migranten
Die Autorin Maria E. Andreu wagt viel: Sie setzt ihren Leserinnen und Lesern eine Protagonistin vor, die sich mit einem Problem auseinandersetzen muss, das vielen nicht vertraut ist. Ana ist zwar eine stimmige und in vielen Bereichen sehr typische Vertreterin junger Migranten, doch bewegt sie sich auf einer Ebene, mit der sich das Publikum nur teilweise identifizieren kann. So bleibt Ana für viele in ihrem Erleben nicht ganz greifbar. Die Liebenswürdigkeit, mit der sich das Mädchen aber durch die Geschichte bewegt, macht dies wieder wett. Man möchte Ana verstehen und kann ihre Einsamkeit im fremden Land und mit einem fremdgewordenen Vater bald erkennen und spüren. Die Einbettung der Geschichte in eine kleine Klasse mit Migranten-Kindern macht deutlich, dass Ana kein Einzelschicksal ist, sondern dieses Empfinden eine ganze Gruppe von Menschen betrifft.
Gelungene Umsetzung
Wie macht man den Leserinnen und Lesern deutlich, was Ana empfindet, wenn sie sich mit ihren bescheidenen Sprachkenntnissen alleine gelassen fühlt? Die Autorin Maria E. Andreu greift zu einem ungewöhnlichen optischen Hilfsmittel. Mittels Sonderzeichen statt Buchstaben simuliert Andreu das „Nicht-Verstehen“ der gesprochenen Sprache und lässt die Leserinnen und Leser die Hilflosigkeit des Mädchens nachvollziehen. Auch die anfänglich schwierige Kommunikation der Kleinklassen-Kinder untereinander wird gut sichtbar. So versetzt die Autorin ihr Publikum nach und nach in die Außenseiter-Position und erklärt bildlich, wie man sich dabei fühlt. Mit weiteren Stilmitteln, wie etwa kleinen Gedichten aus Anas Feder, gibt die Autorin der Geschichte zusätzliche Würze.
Fazit
Dieser Roman nimmt sich eines wichtigen Themas an und setzt es gut in Szene. Es ist ein stiller, aber eindringlicher Roman über Fremdsein, Nähe und Verstehen.
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