Ein Superheld mit Samenstau und Liebeskummer
Jack Carter hat es übertrieben: Nachdem er mal wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist, haben sie ihm Therapiestunden bei der Psychologin Elisabeth Bloomfield aufgebrummt. Natürlich könnte Jack die Stunden schwänzen, aber einerseits ist die Psychiaterin ein heißes Gerät und andererseits – na ja, ob der Knast jetzt so eine tolle Sache ist, das sei dann auch dahingestellt. Andererseits: selbst ein Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen dürfte dem supercoolen Jack überhaupt keine Schwierigkeiten bereiten, hat er doch ein großes Geheimnis: Infolge eines Experimentes, das seine Gene veränderte, ist Jack unsterblich und niemand kann ihm ernsthaft etwas anhaben. Niemand – denn an sein Herz lässt er keine ran – obwohl… eine Kandidatin gäbe es da doch…
In ihrem Romandebüt lässt Rebekka Derksen ihren supercoolen Helden Jack Carter im fernen und sicherlich auch ebenso coolen New York aus seinem Leben erzählen. Das stellt den Leser alsbald vor einige Rätsel, denn Carter ist offensichtlich nicht in einer armen Familie groß geworden, hat gute Schulen besucht, keinerlei Ausbildung hinter sich gebracht und ist offensichtlich trotzdem mit allem und mit jedem unzufrieden.
Da er aber nicht nur an allem herummeckern kann, stellt er mit seinen abgedrehten Sprüchen und mit einer gebetmühlenartigen Penetranz jeder halbwegs gutaussehenden Frau nach, von denen viele aus Gründen, die sich mir nicht recht erschlossen, dann auch reihenweise in seine Arme bzw. in sein Bett fallen. Diese ganzen Umstände erzählt Carter seiner Psychologin, denn er wurde ja gerichtlich dazu verdonnert, Therapiestunden bei ihr zu leisten. Manchmal fragt sich der Leser allerdings auch, was die arme Dr. Bloomfield eigentlich verbrochen haben muss, denn sie muss sich ja diesen ganzen Unsinn anhören.
Die Sache mit der Unsterblichkeit
Der wichtigste Punkt an der ganzen Geschichte ist dennoch eigentlich der, dass Carter wegen eines außer Kontrolle geratenen Experimentes unsterblich geworden ist. Diese Begabung nutzt der Held dazu, in jeder Woche mehrere Selbstmorde durchzuführen. Denn auch wenn er offensichtlich ein zynischer, respektloser und Grenzen überschreitender – Pardon – Mistkerl ist, so scheint er doch immer wieder mal ein paar Gefühle zu Tage fördern zu können. Warum Carter diese Gefühle nicht zugeben kann, warum er seine große Liebe immer wieder brutal von sich stößt und letztendlich schluchzend mit ansehen muss, wie sie dann – Überraschung – einen anderen heiraten will – ich habe es nicht verstanden. Ich verstand auch nicht, warum für dieses ganze Drama von Seitensprüngen, Freundschaft Plus, zweigleisigen Beziehungen, One-Night-Stands und was auch ansonsten alles im – haha – Jack-Pott sein könnte, ein Unsterblicher herhalten muss, denn für diese ganze Vorgeschichte hätte es ein ganz normaler handelsüblicher zynischer Aufreißer auch getan.
Dennoch wären die abschnittsweise schlechte Grammatik, die eigenwillige Rechtschreibung und auch die dünne Charakterisierung des Helden, die sich hauptsächlich auf bemüht coole oder flapsige Sprüche beschränkt, noch hinnehmbar gewesen. Es ist aber meiner Meinung nach eine vollkommen andere Sache, wenn der „Held“, der sich irgendwann doch dazu entscheidet, tatsächlich ein solcher zu sein, offensichtlich aber mit diesem Job überfordert ist. Es ist daher alles andere als „heldenhaft“, ein Vergewaltigungsopfer aus den Händen eines Täters zu befreien und sich dann nicht zu entblöden, das arme Ding auch noch anzubaggern. Das ist nicht mehr cool oder witzig, das ist einfach zynisch und geschmacklos und spätestens hier hätte ein erfahrener Lektor eine junge Autorin ausbremsen müssen.
Fazit
Rebekka Derksen lässt ihren gewollt coolen und konstruiert charismatischen Helden auf 447 Seiten über sein Leben plappern und sich in den seltsamsten Ideen ausleben. Wem dieses Geschwurbel als Beschreibung und Hintergrund für einen „Superhelden“ ausreicht, der ist sicher angetan von diesem Buch. Allen anderen empfehle ich ganz schnell auf dem Absatz kehrtzumachen und ganz schnell zu Spider-, Bat- oder Superman zurückzukehren.
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