Freche Unterhaltung mit einem ernsten Hintergrund
Cam Webber hat jeden Tag ein volles Programm: Da gilt es Bürgerinitiativen („Save the wetlands!“) zu besuchen, Proteste („Rettet!Den!Hai!“) zu organisieren, eine Umweltkampagne gegen Strohhalme („Machs ohne!“) anzuführen oder am Treffen der Gay-Hetero-Alliance teilzunehmen. Cam widmet dem Kampf für eine bessere Welt einen großen Teil seiner Freizeit. Aber seine Welt wäre noch viel, viel besser, wenn Kaya Gonzales darin seine Hand halten würde. Kaya ist für Cam der wahr gewordene Traum eines veganen Sahnebaisers, aber es gibt einen Haken: Sie weiß nichts davon und als Cam es ihr endlich gestehen will, da stellt sich heraus, dass sie mit Steve zusammen ist – mit Steve, dem gedankenlosen Sonnyboy, dem Supersportler, der Partys, von denen die halbe Schule spricht, veranstaltet, dem Mistkerl, der seine Freundinnen öfter wechselt, als andere Leute die Unterwäsche, der eher sterben würde, als auf Strohhalme zu verzichten und das vielleicht sogar muss, denn er hat Krebs. Aber er hat auch Kaya und die hätte Cam ebenfalls gerne.
Natürlich wäre es jetzt eine recht unfeine Sache, einem Todkranken die Freundin auszuspannen, aber was wäre, wenn Kaya selbst einsehen würde, dass er – verglichen mit Steve – die bessere Wahl wäre? Wenn er den Kranken retten könnte – zum Beispiel mit einer Spendenaktion, die für die Krankenhauskosten aufkommt? Würde Kaya sich dann anschließend in Cam verlieben, dann wäre das eine Sache, für die niemand etwas kann und die einfach passiert ist. In Cam reift ein kühner Plan, aber es gibt dummerweise einen Haken: Steve hat die Geschichte längst durchschaut und denkt gar nicht daran, sich die Freundin ausspannen zu lassen.
„Nirgendwo kann man so gut abschleppen, wie auf Demos.“
Das Autorenduo Jenni Hendriks und Ted Caplan dürfte vielen Lesern bereits aus seiner ersten Zusammenarbeit Unpregnant bekannt sein. In seiner zweiten Zusammenarbeit widmet sich das Duo nicht einem ungewollt schwangeren Teenager, sondern hier ist der 16jährige Cam der Held der Geschichte. Er steht vor einem hässliche Zwiespalt: Er möchte unbedingt die Liebe seines noch sehr jungen Lebens gewinnen und jeder weiß ja, dass in der Liebe und im Krieg alle Waffen erlaubt sind. Andererseits würde das heißen, einem Todkranken die Freundin ausspannen und damit zum Bösewicht in der Geschichte zu werden und – mal ehrlich – wer möchte schon gerne in dieser Rolle auftreten?
Cam ist daher hin- und hergerissen und die Geschichte wird nicht einfacher, denn Steve hat seine Absichten schon längst durchschaut und wenn er letztendlich auch der Nutznießer von der Aktion „Save Steve!“ zu sein scheint, ist es ihm doch ein diebisches Vergnügen, seinen Widersacher in die verrücktesten und waghalsigsten Spendenaktionen zu treiben. Wenn hier auch vieles mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor erzählt ist, brachten mich diese Verrücktheiten mehrfach zum Lachen. Der arme Cam wurde in unmögliche Situationen – so eine gigantische Kotzorgie - gedrängt, die ihm überhaupt nicht gefielen, aber die er auf Teufel-komm-raus durchstehen musste, wenn er seinen Kaia als Held bestehen wollte.
„Ich frage dich, ob ich dich einvernehmlich umarmen darf.“
Dennoch ist Rettet Steve keine reine Ansammlung von kuriosen Situationen, sondern die Geschichte wird mit Steves fortschreitender Erkrankung durchaus ernst. Mir gefiel hier gut, dass er einerseits eine Wandlung vom reinen Sonnyboy zu einem mitfühlenden und sicher ernst zu nehmendem Erwachsenen beginnt. Der unscheinbare Anti-Held Cam erfährt dagegen, dass es auch neben den Bestrebungen um eine bessere Welt durchaus ein paar Sachen gibt, die einfach nur Spaß machen und nicht unbedingt einen Sinn haben müssen. Beide beginnen voneinander zu lernen und gerade diesen Teil haben Hendriks und Caplan in kleinen Schritten, ehrlich und freundlich aufgebaut. Sie zeigen auch schön und klar, dass es immer wieder Menschen und Dinge gibt, für die es sich lohnt, zu kämpfen oder einzutreten oder für die man sich einfach mal ein Herz fassen muss, und dass es nicht ein persönlicher Todesstoß ist, wenn es dann doch anders kommt, als man dachte oder sich wünschte.
Fazit
Mit ihrem neusten Werk Rettet Steve! ... und die Welt nehmen Jenni Hendriks und Ted Caplan die 24/7-Kampagnen-Aktivisten sanft auf die Schippe. Sie zeigen, dass es natürlich wichtige Dinge gibt, für die es sich einzusetzen lohnt – aber auch, dass eine Freundschaft, die von Herzen kommt, und wahre Zuneigung und Mitgefühl eine genauso große Rolle spielen und nicht zuletzt, dass das Leben manchmal auch einfach nur Spaß machen sollte.
Jenni Hendriks, Ted Caplan, Fischer
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