Spannende Kontraste zwischen Ländern und Gesellschaften
Emilio hat es geschafft: Er konnte von der Insel Cainstorm Island flüchten – nur um sich jetzt im freien Fall wiederzufinden. Aber damit nicht genug: Es folgt ein harter Aufschlag, denn er landet in Asaria. Hier leben die Menschen in augenscheinlichem Wohlstand, alles ist hoch technisiert, für alles ist gesorgt, doch Emilio weiß schon, dass dieses Luxusleben auf dem Rücken anderer erfolgt. Schon bald lernt er auch die anderen Nachteile Asarias kennen, denn nicht nur, dass er als verhasster Eindringling gilt, auch er muss sich der grenzenlosen diktatorischen Fürsorge des Hauscomputers unterwerfen und über allem schwebt drohend das „Staatshotel“, in das offensichtlich die Schwierigen und Unerwünschten abgeschoben werden. Als ob das alles nicht genug wäre, gerät Emilio auch noch in eine aufkeimende Revolution und auch wenn sein Leben bis dahin nicht einfach war – jetzt wird es richtig schwierig.
Marie Golien beginnt ihren zweiten Band um die Freunde Emilio, Jago und Lyssa mit dem tiefen Fall Emilios, der aus einer Drohne stürzt und genauso schnell und unvermittelt fühlt sich auch der Leser, der den ersten Band Der Gejagte nicht gelesen hat, regelrecht in die Handlung hineingekickt. Er findet sich in einer neuen Welt, in der er ohne jede Vorstellung die drei Freunde, aber vor allem auch die neue hoch technisierte Zukunft kennenlernt, in der Menschen mittels eines implantierten Chips jederzeit online gehen können, Influencer scheinbar neue wichtige Rollen in der Regierung innehaben und auch die braven technischen Helfer, die wir noch als „Alexa“ kennen, ein ganz neues despotisches Eigenleben entwickeln. Mir war das als Einstieg in ein Jugendbuch manchmal doch ein bisschen viel und hier hätte ich mir gewünscht, dass auch die „neuen“ Leser ein wenig eingearbeitet würden.
Dennoch – mit seinen neuen Welten, die im Prinzip nur die bisherige Technik auf einen absurden Höhepunkt treiben, hat Marie Golien einen spannenden, temporeichen Roman erschaffen, der sich im Kern wieder der Befreiung von Unterdrückten oder Benachteiligten widmet und zudem auch noch eine spannende Revolutionsgeschichte beinhaltet. Emilio und seine Freunde erfahren, dass auf Asaria – das hier auch sicherlich für das reiche und bequeme Europa stehen kann – nicht alle Dinge beim Besten sind, sie erleben, dass aber auch nicht alle Bewohner dieser Insel selbstsüchtig und oberflächlich sind und über Verständnis und Information eine Verbesserung der Lebenssituation ihrer eigenen Heimat „Cainstorm Island“ erzielt werden kann. Darüber hinaus spricht Goilins Roman eine deutliche Kritik an der fortschreitenden Vertechnisierung der Gesellschaft, dem unbeschwerten Leben der „besseren“ Welt, die ihren Müll ohne Probleme in andere Länder verschickt und dem permanenten Hinterherjagen von immer eigenartigen Influencern aus. Besonders gut gelungen ist aber, dass diese Botschaft in anschaulichen Bildern verpackt ist.
Fazit
Cainstorm Island – Der Gefangene schildert ein spannendes Geflüchtetenschicksal aus einer weit entwickelten fiktiven Zukunft, die aber eigentlich die selben Fehler und die selben menschlichen Schwächen aufzeigt, wie wir sie in der jetzigen Zeit finden. Vieles erinnert den Leser an die Kontraste zwischen dem reichen Europa und den ärmeren Ländern anderer Kontinente und stößt somit auch seine Gedanke an, vielleicht auch über diese Verteilung einmal neu nachzudenken.
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